Einwohner: 35,2 Mio. / Fläche: 10 Mio. km²
Hauptstadt: Ottawa / Sprachen: Englisch + Französisch
Staatsform: Konstitutionelle Monarchie
Staatsoberhaupt: Königin Elisabeth II, vertreten durch
Generalgouverneur David Johnston, Premierminister Stephen Harper
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Die Meinung, in Kanada sei das Klima angenehm, muss revidiert werden. Bis vor kurzem traf das auch zu, aber nun hat uns die Hitzewelle eingeholt und wir wissen nicht, wie lange sie andauern wird. Im Vergleich zum wochenlangen Tropenklima in der Heimat haben wir zwar keinen Grund zum Klagen, trotzdem macht uns die Hitze zu schaffen. Deshalb wollen wir den weiteren Verlauf der Reise den hohen Temperaturen anpassen. Da wir schon in der schönen Stadt Québec im Tote-Fliege-Modus waren, ersparen wir uns weitere schweisstreibende Stadtbesichtigungen. Zudem sind wir auf der Durchquerung des riesigen Kontinents und möchten für den Westen und Alaska auf jeden Fall genügend Zeit haben. Fazit: Wir wählen die Direttissima via Montreal - Ottawa nach Sudbury.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Hitze hält nur ein paar Tage an. Dafür werden wir mit allen möglichen Klimalaunen konfrontiert, die auch einen regelmässigen himmlischen Carwash beinhalten. Und ab Winnipeg holt uns die Hitzewelle wieder ein mit Temperaturen von 30 - 35°C.
Kurz vor Ottawa überfahren wir die Provinz- und Sprachgrenze Québec-Ontario. Ab hier führt uns der Trans Canada Highway Nr. 17, eine meist zweispurige Schnellstrasse, während einer Woche westwärts durch halb Kanada.
Die Strasse stellt wenig Anforderungen an Fahrkünste. In der Regel geht es geradeaus, endlos geradeaus. Wenn es eine Kurve hat, dann ist sie so flach, dass deswegen nie abgebremst werden muss. Trotzdem wird jeder Rank 1,5 km vorher schon angekündigt, wahrscheinlich, um die Autofahrer darauf aufmerksam zu machen, dass sie doch mal das Steuerrad bewegen müssen. Bei jeder „Achtung-Kurve-Tafel“ reagiert auch das Navi mit einem ‚Bling‘ und der Meldung „scharfe Kurve“! Wir schauen schon gar nicht mehr hin, wenn’s piepst. Grundsätzlich bräuchte es kein GPS für ein- und dieselbe Strasse. Je nach geplanter Distanz kann man am Morgen beim Losfahren ablesen: In 365 km links abbiegen. Doch so ein Navi enthält viele weitere Informationen und hilft, den Übernachtungsplatz auf Anhieb zu finden. Und wenn uns die errechnete Ankunftszeit etwas allzu früh erscheint, werden wir daran erinnert, dass wieder eine Zeitzone überfahren und uns eine weitere Stunde geschenkt wird.
Auffallend für uns ist nach wie vor die Sauberkeit am Strassenrand. Neu haben wir eine Tafel gesehen, die Abfallsündern eine Busse von umgerechnet Fr. 400.- in Aussicht stellt. Ebenfalls positiv fällt die angenehme und disziplinierte Fahrweise auf. Weder Privatauto- nochLastwagenchauffeure fahren aggressiv, es gibt praktisch keine riskanten Überholmanöver und gehupt wird sowieso nicht. Gelegentlich kann auf Anzeigen am Strassenrand der Bussenkatalog für Geschwindigkeitsübertretungen nachgelesen werden, der nicht nur Geldbussen, sondern auch Strafpunkte beinhaltet.
Die Landschaft hat durchaus ihren Reiz, wiederholt sich aber, sodass wir manchmal das Gefühl haben, da seien wir gestern schon vorbei gefahren: Viel Wald, viele Seen, Flüsse, Wässerchen mit weissen Seerosen, blühende Weidenröschen, ganze Felder mit Kanadischer Goldrute, wieder Wald, meistens flach oder leicht hügelig, mitunter sogar richtig hügelig mit Felsen links und rechts der Strasse.
Die Wälder sind immer noch elchhaltig, Warntafeln begleiten uns tagtäglich. Wie wir einer Infotafel entnehmen, sind Kollisionen mit Elchen auf dieser Strasse häufig, vor allem abends und in der Brunftzeit im Herbst. Während wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, so einen Elch zu sichten, springt plötzlich ein Reh vors Auto, bleibt stehen und kann sich nicht entscheiden, in welche Richtung es fliehen soll. Dank der Aufmerksamkeit von Heinz hat das unvorsichtige Tier dieses Manöver gerade noch überlebt und uns ist ein unliebsames Erlebnis erspart geblieben.
Zum mageren Verkehr gesellen sich hie und da auch Velofahrer mit Reisegepäck. Wir reiben uns jedesmal die Augen. Du meine Güte, mit dem Velo auf einer endlosen Route tagelang geradeaus! Einmal sehen wir sogar einen Wanderer mit grossem Rucksack. Heinz ist überzeugt: „Der ist am 1. Januar in Halifax gestartet!"
Nach wie vor ist unser „cool vehicle“ ein Hingucker, beim Auftanken, beim Übernachten usw. Bis jetzt sind wir in mindestens 50 Handykameras gelandet und es wurden uns ebenso viele nach oben gerichtete Daumen entgegengestreckt, aus Autofenstern heraus oder von Töfffahrern, die uns überholen. Einer fand, das sähe aus wie ein europäisches Militärfahrzeug. Ob das jetzt als Kompliment oder Beleidigung aufgefasst werden soll, wissen wir nicht. Wir entscheiden uns fürs Kompliment. Einmal werden wir auf Schweizerdeutsch angesprochen. Ein 40-jähriger Mann, dessen Eltern als Farmer mit ihm nach Kanada auswanderten, als er fünf war, freut sich, mit uns zu plaudern.
Auf die Frage nach unseren Reiseplänen antworten wir jeweils, wir würden vier Monate durch Kanada und USA reisen, und Kanada sei ein sehr schönes Land. Darüber freuen sich die Leute, sie fragen nicht länger nach und wünschen gute Fahrt. Und wir ersparen uns eine monatelange Panikmache wegen Mexiko usw., wie das in einigen Berichten von Panamericana-Reisenden beschrieben wird.
In Sudbury fällt vor allem eines auf: Das Monsterkamin von Inco Ltd. mit einer Höhe von 381 m. Inco ist die grösste Nickelhütte der Welt. Wenn so ein Kamin, das den Eiffelturm um 50 m überragt, auch nicht in erster Linie etwas Schönes ist, so ist es doch etwas Bemerkenswertes.
Obschon die Route dem Huronsee entlang führt, bekommt man leider nicht viel vom See zu sehen. Mehrere Versuche, ans Ufer zu fahren, scheitern daran, dass alles privat ist und man nirgendwo das Auto abstellen kann. In Sault Ste. Marie hingegen spazieren wir genüsslich dem Ufer des St. Marys River entlang, der die Seen Superior, Huron und Michigan verbindet und einst von grosser Bedeutung für Handel und Industrie war. Auch heute noch stellt der Fluss eine wichtige Handelsverbindung dar.
An den folgenden zwei Tagen bis Thunder Bay haben wir immer wieder den Lake Superior im Blickfeld. Die Landschaft ist etwas bergiger, sodass sich traumhafte Aussichten über den riesigen See bieten, einem See, der wie ein Meer anmutet. Auch unsere Ufer-Versuche sind erfolgreich. Vielleicht haben wir am Huronsee halt nicht am richtigen Ort gesucht.
Nach der Provinzgrenze Ontario - Manitoba wechselt die inzwischen richtungsgetrennte Schnellstrasse ihre Nummer von Hwy 17 auf Hwy 1. Wie ein gerader Strich schnürt sie durch eine topfebene Landschaft. Die „scharfen Kurven“, vor denen immer noch gewarnt wird, können an einer Hand abgezählt werden und sind so unscharf, dass man sie kaum wahrnimmt.
Der Wald hat dem Ackerbau Platz gemacht, erste immens grosse Getreidefelder tauchen auf, sie reichen oft bis zum Horizont. Ganz langsam fahren zwei Canadian Pacific Güterzüge vorbei, in jede Richtung einer. Beim einen zählen wir zwei Locks, die sage und schreibe 95 (fünfundneunzig!) 4-achsige Waggons hinter sich herziehen! Kein Wunder, kommt der Zug nur im Schneckentempo vorwärts!
Von nun an sind wir nicht mehr auf der Durchreise, sondern auf der Reise. Wir nehmen es gemütlicher und lassen uns Zeit für Sehenswertes. Das Angebot an weiss was für Attraktionen ist allerdings gross, man darf da wohl etwas wählerisch sein.
In Winnipeg lebt ein buntes Völkergemisch und man sieht auffallend viele indianische Gesichtszüge. Die Hauptstadt Manitobas ist auf jeden Fall sehenswert. Bei Regenwetter flanieren wir durch die Strassen der Innenstadt und knipsen unter dem Schirm hervor. Als eine gute Idee erweist sich der Besuch des Manitoba-Museum. Die sehr lebendig dargestellten Ausstellungen begeistern uns. Sie reichen von den Dinosauriern bis zu den Büffeln mit Szenen aus dem Leben der Indianer. Ebenso finden sich Informationen über die berühmte Handelsfirma Hudson’s Bay Company, die hauptsächlich mit Pelzen gegen Waren aus aller Welt handelte. Beeindruckend auch die Rekonstruktion eines britischen Segelschiffes, das zuerst von England zum Museum in Winnipeg transportiert und um das herum dann ein überhoher Raum gebaut wurde. Umrahmt von einer englischen Hafenkulisse sieht das Ganze sehr realistisch aus.
Am folgenden Tag dürfen wir die Regenschirme gegen die Sonnenhüte eintauschen, es wird richtig heiss. Wir schauen uns das exquisite Gebäude des Museums für Menschenrechte von aussen an und statten dann dem Eisenbahnmuseum einen Besuch ab, das im Bahnhofgebäude der Canadian Pacific Railway untergebracht ist. Interessant aber etwas minim und natürlich in keinem Verhältnis zum Manitoba-Museum.
"White House" in Winnipeg
City Hall Winnipeg
Wilde Szene im Manitoba-Museum
Elche - wenn auch nur augestopfte
Unser nächster Stadtbesuch gilt der Queen City Regina, Hauptstadt der Provinz Saskatchewan. Die Temperatur klettert auf über 30°, sodass wir unseren Vorsatz, keine schweisstreibenden Stadtbesichtigungen mehr durchzuführen, gezwungenermassen über den Haufen werfen. Wir staunen über die hohen Glaspaläste in Downtown Regina und schlendern durch den Viktoriapak, wo ein Folk-Festival stattfindet. Die Zuhörerschaft sitzt am Boden oder auf mitgebrachten Stühlen, es ist ein lockerer, fröhlicher, lautstarker Anlass.
Nachdem wir vom Manitoba-Museum in Winnipeg so begeistert waren, fahren wir hier zum Saskatchewan-Museum, das beim Wascana Lake liegt. Ein erster Augenschein bestätigt, dass es sich in etwa um das Gleiche handelt, sodass wir einen ausgiebigen Besuch weglassen und stattdessen auf einem Schattenbänklein am See dem Sonntagstreiben zuschauen.
Auf der Weiterfahrt werden wir von Millionen kleiner weisser Sommervögel umnebelt, die überall herumflattern, im Gras neben der Strasse, im Himmel, und besonders massenhaft über der Strasse. Sie wären ja hübsch, wenn sie nicht dauernd auf die Frontscheibe klatschen würden. Nach einer gründlichen Putzaktion der zugepflasterten Scheibe stellt Heinz fest, dass die Tierchen bei Tempo 65 vor dem Aufprall weggeblasen werden. Somit verläuft die weitere Reise recht gemächlich. Der Grund ist weniger die Rettung von Falter-Leben als die Sauberhaltung der Scheibe.
Südlich von Moose Jaw gibt es ein Freilichtmuseum, ein Dörfchen aus der Pionierzeit. Aufgebockt ist auch ein Schiff, das der Finne Tom Sukanen, getrieben von Heimweh, selber baute, um damit via Hudson Bay nach Finnland zu fahren. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch, was nicht erstaunt. Schwitzend schauen wir uns die Häuschen mit den Requisiten der Siedler an. Der Besuch lohnt sich und wir dürfen nun getrost weitere Pioniermuseen, von denen es viele gibt, auslassen.
Die Landschaft ist unterdessen leicht gewellt mit unzähligen kleinen und grösseren Seen. Bei einem grossen See sehen wir eine Salzgewinnungsanlage. Tatsächlich sind diese Seen salzhaltig, und zwar etwa sechsmal so stark wie das Meer. Wo es herkommt, ist nicht restlos geklärt.
Langsam kommen wir ins Cowboyland, erste Prärien mit Kuhherden und ein paar Pferden tauchen auf. Das Wasser für die Tiere wird mit Pumpen aus dem Grund heraufbefördert, die mit kleinen Windrädern angetrieben sind. Passend zur Szenerie schieben wir eine Country-Music-CD ein und geniessen die Fahrt.
eingestellt am 13.8.2015mb