Reiseverlauf 29.11.-31.12.2016
Argentinien II 10.-24.12.16
Halbinsel Valdés
Nächste Station ist Puerto Madryn in der Provinz Chubut, Ausgangspunkt zur Halbinsel Valdés. Unterdessen sind wir nicht mehr die einzigen Reisenden. Schweizer, Österreicher, Franzosen und andere Europäer begegnen uns an den Touristenorten, Campinglätzen, Einkaufszentren…
Auf der Halbinsel Valdés werden wir beinahe in die Luft gewirbelt. Der Wind bewirkt zudem rasche Wetterwechsel zwischen Sonnenschein und starken Regenschauern. Über Land sehen wir dutzende Guanakos
, die kleinen Verwandten des Lama, einige Nandus, die kleinen Verwandten des Strauss, sowie Pampahasen und natürlich Schafe, aber die haben einen geringen Seltenheitswert. An der Küste liegen müde See-Elefanten herum. Fleissiger sind die Magellanpinguine, die mit Nestbau und Brüten beschäftigt sind. Die Wale allerdings sind dieses Jahr etwas früher als sonst Richtung Süden abgereist. Obschon man uns im Touristenbüro die Möglichkeit, Orcas zu sehen, in Aussicht gestellt hat, gehen wir diesbezüglich leer aus. Wie empfohlen sind wir am frühen Morgen beim Hereinströmen der Flut am Strand, was den Orcas offensichtlich keinen Eindruck macht.
Für jene, die sich fragen, wo genau Patagonien liege, gibt es eine einfache Antwort: Dort wo der Wind weht! Heinz muss das Steuerrad fest in der Hand halten, damit wir nicht von der Strasse gefegt werden. Zusätzlich erzeugt jeder entgegenkommende oder uns überholende Lastwagen eine deutlich spürbare Druckwelle. Beim Ein- und Aussteigen brauche ich meistens eine starke Männerhand, die dafür sorgt, dass die schwere Autotür nicht mit Wucht auf- oder zugedrückt wird. Heinz ist der Meinung, unter diesen Bedingungen sei das Fahren wohl eher seine Sache, was ich widerspruchslos akzeptiere. Wind sei Dank!
Unser hochbeiniges, gut gefedertes Gefährt schwankt bekanntlich auch ohne Wind, zum Beispiel auf schlechten Strassen oder auf Spurrillen, wie sie hier häufig vorkommen. Zusammen mit dem steifen Seitenwind muss das für nachfolgende Autofahrer nachgerade bedrohlich aussehen. So werden wir an einem Tag mit aussergewöhnlich starkem Wind und kräftigen Böen von einem Einheimischen überholt und zum Anhalten aufgefordert. Der Mann steigt aus und sagt, wir dürften bei diesem Wind auf keinen Fall weiterfahren. Es seien schon ganze Lastwagen umgekippt! Er lotst uns zu einem kleinen Kiesplatz neben der Strasse, ordnet uns an, in Windrichtung zu parkieren und da zu bleiben… Wir bedanken uns und tun wie uns geheissen, aber hier übernachten wollen wir nicht und Hoffnung auf ein Nachlassen des Windes innert nützlicher Frist besteht keine. Mit leicht erhöhtem Puls fahren wir vorsichtig weiter und kommen schliesslich unversehrt am Ziel an. So also geht der berühmte patagonische Wind!
Der Wind hat auch eine Aufgabe: Er muss dafür sorgen, dass die Abfälle gerecht verteilt werden! Im Gegensatz zu Nordamerika ist Littering hier leider gratis. So sammelt der Wind Papier, Plastik und anderen Unrat zusammen, der überall reichlich vorhanden ist, wirbelt alles durch die Luft und verstreut es. Ein Teil davon bleibt an Drahtzäunen kleben und verwandelt diese in fragwürdige Kunstwerke.
Die RN 3 ist die direkte Verbindung von Buenos Aires nach Ushuaia. Sie erstreckt sich über 3‘000 km. Wir haben den Umweg über die Küste genommen, um der Hitze zu entfliehen und sind erst ein paar Tage später auf die 3 gestossen. Beidseits der zweispurigen Strasse in 20 bis 30 Metern Entfernung sind Drahtzäune errichtet, und zwar lückenlos bis hinunter nach Feuerland. So bleiben die Kühe und Schafe da, wo sie hingehören. Die Guanakos hingegen springen elegant darüber und halten sich nicht selten nahe der Strasse auf. Wir sehen auch einige, die die Überquerung der Strasse nicht überlebt haben… Die Zäune haben für die Reisenden auch Nachteile. Es ist fast unmöglich, irgendwo anzuhalten. Die Strasse ist schmal, die Schulter uneben und oft abhaldig und dann kommt der Zaun. Die wenigen Quersträsschen sind meistens privat und mit einem Tor abgesperrt. Rastplätze gibt es nicht, schattenspendende Bäume auch nicht. Das Land ist unendlich gross und weit und flach und heiss!
Zur Ruta 3 gibt es keine geteerte Alternative, man muss da einfach durch. Die vielen Guanakos haben bereits an Seltenheitswert verloren. Ab und zu hoppelt ein Hase davon und hie und da sichten wir Nandus, gelegentlich auch mal ein Gürteltier. Viele entgegenkommende Lastwagenfahrer grüssen. Und dann, mitten in der Monotonie des Geradeausfahrens meldet sich plötzlich die GPS-Frauenstimme: „Der 3 folgen!“ Ob das jetzt als Weckruf oder zur Erheiterung gedacht ist, bleibe dahin gestellt. Auf jeden Fall bewirkt es beides.
Bei Comodoro Rivadavia ändert sich die Landschaft insofern, als sie leicht hügelig wird und sich das Meer ins Bild schiebt. Wie schön! Wir sind ja für jede kleine Abwechslung dankbar. In der Stadt, die 30% des argentinischen Öls liefert, statten wir bei stürmischem Wind dem Ölmuseum einen Besuch ab. Gemäss Reiseführer ist das ein Muss, das man gemäss unserer Einschätzung nicht unbedingt müsste. Beeindruckt hingegen sind wir von den Häusern entlang der Strandpromenade etwas weiter südlich in Rada Tilly. Hier hat sich die Oberschicht ihren Goldküstenplatz gesichert. Nicht in dieses Bild passt der kleine, komisch wirkende Asiate, der mit schnellen, kurzen Schrittchen angetrippelt kommt, so als könnte er nicht richtig gehen. Anstelle einer Sonnenmütze hat er eine Bastmatte mit Schnüren zu einem Chinesenhut zusammengebunden. Als er stehen bleibt, erwarte ich, dass er nach Geld bettelt. Stattdessen spricht er uns auf Englisch an, stellt fest, dass wir aus der Schweiz kommen und sagt, das sei das beste Land der Welt. Ich füge hinzu, in Argentinien sei es aber auch sehr schön, worauf er mit dem Kopf wiegt und sagt, die Regierung sei nicht gut (er ist nicht der Erste, der sich über die Regierung beschwert), wir sollen froh sein, in einem Land wie der Schweiz leben zu dürfen. Das sind wir natürlich! Dann trippelt er weiter und wir realisieren, dass er wohl gerade sein Fitnessprogramm absolviert.
Die Provinz Santa Cruz wartet gleich mit einer Überraschung auf: An der Küste entdecken wir zufällig eine grosse Kolonie Seelöwen! Dann geht’s wieder durchs Landesinnere, vorbei an unzähligen Ölpumpen, ausgetrockneten Salzseen, flachen Steppen. Einzigartig an diesen Ebenen ist der weit entfernte 360°-Horizont, über den sich ein mächtiger Himmel mit faszinierenden Wolkenbildern spannt.
Puerto San Julián liegt, wie der Name sagt, an der Küste. Eine Replika von Magellans Schiff thront gut sichtbar am Hafen, ebenso ein Militärjet zum Gedenken an die Opfer des Falklandkrieges und zu Ehren der Helden, die diese argentinischen Inseln, Malvinas genannt, verteidigt haben. So jedenfalls tönt die argentinische Version. In allen Städten bis hinunter nach Ushuaia sind mehr oder weniger imposante Gedenkstätten errichtet worden, und der Spruch, dass die Malvinas Argentinien gehören, ist allgegenwärtig.
Provinzgrenze zu Santa Cruz
Seelöwen bei Caleta Olivia
Frisch gebadet, aber es juckt trotzdem
Seelöwen
Vor Puerto San Julian
Puerto San Julian
Magellans Schiff
Ehrung der Helden bei der Verteidigung der Malvinas (Falklandinseln)
Immer wieder Guanakos
Der Weg nach Ushuaia führt während rund 250 km durch chilenisches Territorium. Beim Grenzübergang müssen wir uns in eine lange Schlange stellen. Es weht ein kalter Wind und es gibt keinen Grund mehr, sich über die Hitze zu beklagen. Nach 1½ Stunden und dem Abliefern unseres letzten Salamipäckli können wir die Reise fortsetzen. Landschaftlich ändert sich nichts, hingegen ist die Strasse in besserem Zustand und es gibt in kurzen Abständen Parkmöglichkeiten, etwas, was wir in Argentinien sehr vermisst haben.
Die Magellanstrasse wird mit einer Fähre in 20 Minuten überquert. Leider sind wir zwischen Lastwagen eingeklemmt und können das Auto nicht verlassen, sodass wir von der kurzen Schifffahrt nur den Motorlärm mitbekommen.
Nun also sind wir auf der Hauptinsel Feuerland angekommen. Insgesamt ist der Archipel zusammen mit den kleineren Inseln 73‘500 km2 gross. Etwa 160‘000 Menschen leben hier. Der grössere Teil mit 52‘000 km2 gehört zu Chile, ist aber mit nur 10‘000 Menschen wesentlich dünner besiedelt. Das bekommen wir sehr deutlich zu spüren. Wir sehen weder eine Bank noch sonst eine Möglichkeit, Geld zu wechseln. Ebenso entdecken wir auf der ganzen Strecke keine Einkaufs- oder Einkehrmöglichkeit, und das, nachdem der Kühlschrank wegen der strengen chilenischen Bestimmungen praktisch leer ist. Natürlich müssen wir deswegen nicht darben, aber wir sind trotzdem froh, dass wir den Grenzübertritt zurück nach Argentinien noch am gleichen Tag schaffen.
Zum Ende der Welt
Die letzte Etappe bis Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, ist die kurzweiligste der ganzen bisherigen Reise. Wir sehen wieder einmal Wald und Berge, fahren über einen Pass, bewundern die Aussicht auf grosse Seen und fühlen uns fast wie zu Hause. Das Klima hat sich merklich abgekühlt, in Ushuaia ist die warme Jacke gefragt. Die Weihnachtsgrüsse mit dem Strandbild im letzten Blog müssten relativiert werden. Schön sind aber die langen Abende und kurzen Nächte.
Wir kommen am 22. Dezember in Ushuaia an. Viele Reisende mit allen möglichen Wohnmobilen setzen sich zum Ziel, Weihnachten und/oder Neujahr am Ende der Welt zu feiern. Für uns ist das ein Grund, rechtzeitig wieder abzureisen, um dem Rummel auszuweichen. Es gibt einige Reisende europäischer Herkunft, die wir sporadisch immer mal wieder antreffen und mit denen wir gerne ein paar Worte wechseln. Anderseits haben wir auch helvetische Grossmäuler kennen gelernt, denen wir lieber aus dem Weg gehen.
Das Wetter hat für unser Ansinnen Verständnis, der 23. ist ein Strahletag und ab dem 24. regnet’s. Wir verbringen somit den Vorweihnachtstag im Nationalpark Tierra del Fuego und nutzen die Gelegenheit für eine schöne Wanderung. Gegen Abend profitieren wir von der zuverlässigen Internetverbindung im Touristenbüro zum Skypen mit der Familie und geniessen anschliessend ein Festmahl in einem Restaurant mit schönstem Blick auf den Beagle-Kanal. Es gibt zwar kein Fondue Chinoise, dafür ein anständiges argentinisches Steak.
Einwohner: 17,5 Mio. / Fläche: 756’950 km2
Hauptstadt: Santiago de Chile / Sprache: Spanisch
Staatsform: Präsidiale Republik
Staatsoberhaupt: Michelle Bachelet Jeria
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Nordwärts in die Berge
Bis zur chilenischen Grenze müssen wir wieder auf der gleichen Strecke zurückfahren. Nach dem Grenzübertritt in die chilenische Provinz Magallanes beschliessen wir, die 150 km lange Naturstrasse westwärts bis Porvenir unter die Räder zu nehmen. Die Strasse ist etwa zu Zweidritteln ganz passabel, die Strecke entlang einer Seitenbucht der Magellanstrasse fantastisch schön und das Wetter auch. Zwischen Porvenir und Punta Arenas ist die Magellanstrasse rund 50 km breit, die wir mit der Fähre in gut zwei Stunden überqueren. Einige Delfine folgen kurz dem Schiff und zeigen ihre Sprungkünste.
Punta Arenas gilt als die schönste Stadt Patagoniens mit einem gepflegten Stadtzentrum, Parks, sehenswerten Gebäuden, Denkmälern. Einen Besuch wert ist der Friedhof, der zum Nationaldenkmal erklärt wurde. Die einstigen Besitzer riesiger Schaf-Estancias liessen sich repräsentative Häuser im Stadtzentrum bauen sowie ganze Mausoleen für ihre Verstorbenen. Wir bleiben ein paar Tage, weil wir einiges zu erledigen haben und ich zudem noch einen Kampf gegen Fieber und Erkältung ausfechten muss. Wenn man doch nur diesen Wind abstellen könnte!
Feliz Navidad!
Naturstrasse bis Porvenir
Die neue Strasse ist noch nicht fertig...
Idealist
Inzwischen haben die Guanakos ihren Seltenheitswert eingebüsst und sind auf der Stufe Kühe gelandet. Hingegen sind die Schafe in den Mittelpunkt unseres Interesses gerückt, nicht wegen ihrer Seltenheit, sondern wegen ihrer Vielzahl. Die weite patagonische Steppe ist zeitweise richtig getüpfelt vor lauter Schafen. Zudem wartet die Etappe bis Puerto Natales, dem Ausgangspunkt in den Nationalpark Torres des Paine, mit einem kleinen Spektakel auf. Einige hundert frisch geschorener Schafe werden auf dem breiten Streifen zwischen Strasse und Zaun vorangetrieben. Zwei Reiter und eine Anzahl kleiner, flinker Hunde haben dabei alle Hände respektive Beine voll zu tun. Die Schafe sind nämlich überzeugt, dass es auf der anderen Strassenseite die besseren Gräser gibt. Immer wieder büxt eines aus, postwendend gefolgt von seinen Kumpanen. Für uns ist es ein köstliches Katz- und Mausspiel mit hohem Unterhaltungswert.
In Puerto Natales, einem hübschen kleinen Städtchen am Wasser, bläst ein derart eisiger Wind, dass wir uns aufs Erledigen der Dinge beschränken, die vor dem Besuch des Nationalparks nötig sind: Dieseltank und Kühlschrank auffüllen, die Schwarzhalsschwäne in die Kameras bannen und nichts wie los Richtung Norden ziehen.
Nationalpark Torres des Paine
Nicht ohne Grund zählt dieser Park zu den Höhepunkten jeder Chile-Reise. Wir sind hier drei Tage unterwegs, zu Fuss und auf Rädern und restlos begeistert, mal abgesehen von den teils miesen Naturstrassen. Die Zacken der Torres (Türme) ragen markant in die Höhe, der Park ist durchzogen mit Seen. In einen mündet ein Gletscher und bestückt ihn mit kleinen Eisbergen. Hunderte Guanakos hausen im Park. Ihr einziger Feind ist der Puma, der rund 40% der Jungtiere im ersten Jahr reisst. Wenn man aber die grossen Guanako-Herden mit den vielen Jungen sieht, ist wohl für alle gut gesorgt. Ebenfalls häufig kommen Nandus vor. Manchmal müssen die schnellen Laufvögel richtig rennen, wenn sie unser Gefährt sehen.
Einmal beobachten wir eines der vielen Häschen, das die berühmten Haken schlägt, weil es vom Fuchs verfolgt wird. Es ist köstlich zu beobachten, wie der Fuchs mit der Nase am Boden der Zickzackspur seiner Beute nachschnüffelt, während sich das Häschen aus dem Staub macht. Das Hightlight entdecken wir auf einer Bergkuppe: Etwas Schwarzes, viel zu gross für einen Vogel, steht dort oben und beobachtet die Welt. Bald wird klar, dass es sich um einen Kondor handelt, zu weit weg für ein gutes Foto aber unverkennbar unser erster Kondor!
NP Torres del Paine
Eisberg im Lago Grey
Die Torres (Türme) im Torres del Paine
NP Torres del Paine
NP Torres del Paine
Jede Menge Guanakos
Immer wieder Nandus
Am Lago Sarmiento
Die Reise geht weiter...
Eingestellt am 10.1.17/mb