Reiseverlauf 29.11.16 - 26.4.17

P E R U

Einwohner: 31 Mio. / Fläche: 1'285 Mio. Km2

Hauptstadt: Lima

Sprachen: Spanisch / Ketschua / Aymara

Staatsform: Republik

Staatsoberhaupt: Präsident Ollanta Humala

Regierungschefin: Ana Jara Velasquez

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Puno - Valle de Colca - Cusco - Machu Picchu - Nazca - Lima - Huaraz - Cañon del Pato - Trujillo - Piura - Tumbes

2. - 26.4.2017

Grenzübergang Bolivien-Peru

Am Sonntagmorgen, 2. April, kommen wir zum Grenzdorf Desaguadero, wo wir nirgendwo den Weg zum Zoll sehen. Die Dorfstrassen sind wie üblich schmierige, löcherige Erdpisten und wir sind der europäischen Meinung, dass wenigstens die Strasse zum Zoll asphaltiert sein müsste. Wie kann es sein, dass ein Grenzübergang nicht signalisiert ist und man ihn nicht findet, ohne sich zuerst bei verschiedenen Personen durchzufragen?

Nach der Ausreise aus Bolivien überquert eine Brücke den Grenzfluss. Im Zollbüro von Peru tippt eine junge Angestellte sorgfältig alle relevanten Daten für unsere Einreise in den Computer. Dann verlangt sie unser Carnet de Passage. Das ist ein Dokumentheft für die temporäre Einfuhr von Fahrzeugen, für das man eine Kaution hinterlegen muss, die man beim ordnungsgemässen Wieder-Ausführen zurückerhält. Damit soll vermieden werden, dass man ein Auto im Land verkauft, ohne Zoll zu bezahlen. Wir wissen, dass in ganz Amerika dieses Carnet nicht verlangt wird. Bei jedem Grenzübergang wird jeweils ein Formular für die temporäre Einfuhr des Fahrzeuges ausgestellt, das bei der Ausfuhr wieder abgegeben werden muss.

Die junge Frau lässt sich nicht von uns belehren. Zur Absicherung holt sie eine telefonische Bestätigung ein und erklärt, das Carnet werde eben in Peru verlangt. Wenn wir keines haben, müssten wir die temporäre Einfuhr über eine Agentur abwickeln. Agenturen gibt es mehrere auf dem Platz, aber heute ist Sonntag und sie sind alle geschlossen. Etwas ratlos fragen wir, wo wir denn nun das Wohnmobil über Nacht hinstellen dürfen. Die Antwort kommt klar und unmissverständlich: Nicht auf peruanischem Territorium! Ein ‘Niemandsland’ gibt es nicht, nur die Brücke über den Grenzfluss. Wir sollen wieder zurück nach Bolivien und morgen nochmals vorbeikommen, gibt sie uns zu verstehen. Zurück nach Bolivien bedeutet, wieder einreisen mit dem ganzen Papierkram für uns und fürs Auto und morgen wieder ausreisen. Wir fassen es nicht!

Da die Dame nicht mehr mit sich reden lässt, verlassen wir konsterniert das Zollbüro. Draussen steht ein Polizist, der ahnt, dass hier etwas nicht rund läuft und deshalb den Chef-Zöllner ruft. Dieser fordert uns auf, mit ihm zurück ins Büro zu kommen. Er setzt sich an den Arbeitsplatz der jungen Beamtin und tippt nochmals alles in den gleichen Computer, während ich seine Uniform mit den goldenen Streifen und der goldenen Medaille studiere. Dann stellt er ein Formular für die temporäre Einfuhr aus und übergibt es uns. Eine Haftpflichtversicherung fürs Auto muss in der nächsten Stadt, Puno,

 bei einem Agenten abgeschlossen werden. Wir erhalten die Adresse und den Ratschlag, die 150 km bis Puno vorsichtig zu fahren (tun wir sowieso). Schliesslich will er einen Blick ins Wohnmobil werfen und dann heisst’s ‘Bienvenidos a Peru!’ Na also, geht doch! Das nächste Mal werden wir gleich selber den ‘Jefe’ verlangen.

Die Fahrt nach Puno ist wiederum landschaftlich schön, manchmal mit weitem Blick über den riesigen Titicacasee. Am nächsten Morgen kommen wir nicht darum herum, uns einmal mehr ins Chaos einer südamerikanischen Stadt zu stürzen. Die vom Zöllner erhaltene Adresse ist etwas dürftig: Im Mercado Vea habe es eine Bank, die Autoversicherungen abschliesse. Wir fragen uns nach diesem Mercado Vea durch und stehen um 9 Uhr vor verschlossenen Türen. Der Markt öffnet erst in einer Stunde. Genau genommen öffnet er schon um 9 Uhr, aber wir merken erst am folgenden Tag, dass in Peru die Uhren um eine Stunde zurückgestellt werden müssen...!

Am Bankschalter klärt man uns auf, dass man seit diesem Jahr keine Autoversicherungen mehr anbiete. Wir sollen zum Hauptplatz gehen, da gebe es mehrere Agenturen. Also wandern wir ein paar Blocks weiter. Gottseitdank entdecken wir dort die hilfreiche Touristeninformation, sodass wir schussendlich in einem kleinen Büro landen, wo eine Versicherung für zwei Monate abgeschlossen werden kann.

Nun haben wir Zeit und Musse, uns auf dem schönen Hauptplatz umzusehen, das bunte Treiben zu beobachten und uns die Schuhe putzen zu lassen. Nach einer feinen Pizza und dem Erledigen des Lebensmitteleinkaufs hält uns nichts mehr in der Stadt zurück. Wir fahren ein Stück weiter und finden ein erholsames Schlafplätzchen am Ufer eines Flusses.

Zu den Kondoren in der Colca-Schlucht

Bis jetzt haben wir einige Kondore weit oben in den Wolken gesehen, aber noch keinen in vernünftiger Fotodistanz. Nördlich von Arequipa gibt es eine Schlucht, wo Kondore jeweils am frühen Morgen die Aufwinde nutzen, um ihre Segelflugstunden zu absolvieren - vorausgesetzt, das Wetter stimmt und sie haben nicht zufällig etwas anderes vor. Die Colca-Schlucht liegt nicht an unserer geplanten Route, auf der Karte sieht es nach einer Zusatzschlaufe von zwei Tagen aus. Da ich aus speziellem Grund einen Wunsch offen habe und Heinz weiss, wie gerne ich die Kondore sehen würde, offeriert er mir eine Extrafahrt dorthin.

Der Abstecher nimmt dann drei Tage in Anspruch. Zuerst führt eine gute Strasse über einen 4413m hohen Pass, was wir sehr geniessen. Dann kommen wir zu einem Dorf, von wo aus wir den direkten Weg wählen, obschon er nicht asphaltiert ist. Man sagt uns, das sei kein Problem, die Strassen seien ‘plano’. Im Nachhinein nehmen wir uns vor, nie mehr irgendwen nach dem Strassenzustand zu fragen. Zum Teil sind die Strassen in einem fürchterlichen Zustand, sodass wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gerade mal 10 - 15 km/h vorankommen. Auch glänzen die Wegweiser oft durch Abwesenheit und das Navi findet sich generell in Peru nur begrenzt zurecht. So endet eine der miesen Pisten an einem See, eine andere an einem abgeschlossenen Tor. Die Landschaft hingegen ist wie gewohnt faszinierend, bereichert durch viele Lamas und Vicuñas.

Nach dem ersten langen, mühsamen Reisetag kommen wir im köstlichen Dorf Chivay an. Das ganze Dorf ist ein Marktplatz und viele der Ketschua-Frauen tragen bunte Kleider mit glitzernden Hüten. Hier bleiben wir erst mal für die Nacht, besichtigen am nächsten Vormittag das Dorf und fahren am Nachmittag zur Schlucht. Dort kann man auf dem Parkplatz übernachten und ist somit am folgenden Morgen rechtzeitig am Ort des Geschehens.

Schon beim Frühstück um 6.30 Uhr kommt der erste Kondor vorbei. Wir lassen alles liegen und eilen zum Aussichtspunkt, von wo sich das Spektakel bestens beobachten lässt. Es sind etwa ein Dutzend Riesenvögel, die herbeisegeln und ohne einen einzigen Flügelschlag durch die Lüfte gleiten.

 Dann wieder sitzen sie auf einen Felsvorsprung, turteln liebevoll oder streiten, je nachdem wer sich alles auf dem Felsen einfindet.

Als die ersten Touristenbusse eine Stunde später eintreffen, ist die Vorstellung schon fast gelaufen. Natürlich sieht man noch ein paar Kondore und im Übrigen hat man reichlich Gelegenheit, seine Souvenirsammlung zu erweitern. Überall, wo Touristen hinkommen, bei jedem Aussichtspunkt und jedem Parkplatz breiten Einheimische ihre Waren zum Verkauf aus.

Hoch erfreut, dass es mit dem Wetter und den Kondoren so gut geklappt hat, machen wir uns auf den Rückweg, diesmal über die asphaltierten Hauptstrassen, auch wenn das kilometermässig einen beträchtlichen Umweg bedeutet. Wir schaffen es wieder bis zum Stellplatz am Fluss, wo wir vor drei Tagen übernachtet haben. Müde sinken wir frühzeitig ins Bett. Um 23 Uhr höre ich ein Auto, das neben unserem Wohnmobil anhält. Dann klopft es an die Tür. Ich wecke Heinz, er schaltet die Aussenbeleuchtung ein und sieht, dass zwei Polizisten vor der Tür stehen. Sie sind da, um uns zu warnen. Es sei gefährlich hier, es habe schon Überfälle gegeben und wir sollen vorsichtig sein. Wenn jemand komme, sollen wir auf keinen Fall die Tür oder ein Fenster öffnen. Dann wünschen sie eine gute Nacht, was unter diesen Umständen gerade ein bisschen schwierig ist. Die Tatsache jedoch, dass wir uns quasi in einer «Hochburg» befinden, die nicht so einfach zu knacken ist, lässt uns dann doch weiterschlafen.

In den folgenden Wochen kommt es noch mehrmals vor, dass wir schöne, ruhige und unseres Erachtens unproblematische Übernachtungsplätze finden, von denen wir vor oder nach dem Einschlafen von Polizisten oder Sicherheitspersonal vertrieben werden. Immer heisst es, es sei ‘muy peligroso’ und wir sollten zu einem besser beleuchteten und belebten Standort wechseln. Oft haben wir aber den Eindruck, dass die Sicherheitsleute einfach jedem möglichen Ärger in ihrem Rayon vorbeugen möchten.

Cusco 350'000 Einwohner, 3500m

Das nächste Ziel heisst Cusco, das wir nach einer zweitägigen Fahrt über den Altiplano erreichen. Cusco war einst Hauptstadt des Inka-Imperiums (ab ca. 1200 bis zum Einfall der Spanier 1533). Die Inka beherrschten unter anderem die Kunst der fugenlosen Verblockung riesiger Steine. Die Steinblöcke sind bis zu einem Meter gross und so perfekt behauen und passgenau zusammengefügt, dass sie keinen Mörtel brauchen. Es ist bis heute ungeklärt, wie die gewaltigen Steinblöcke ohne Rad und Zugtiere transportiert und ohne Metallwerkzeuge bearbeitet wurden. Die spanischen Eroberer wollten alle Inka-Bauten in Cusco dem Erdboden gleich machen, doch die mächtigen Mauern liessen sich nicht so einfach einebnen. So dienen bis heute viele als Grundmauern für Kirchen und Kolonialgebäude und haben sich als absolut erdbebensicher bewährt! Schon vor der Einfahrt nach Cusco sehen wir ein erstes Beispiel dieser Baukunst im «Tor zu Cusco».

Wir nisten uns im einzigen Campingplatz oberhalb der Stadt ein, von wo wir zu Fuss in einer halben Stunde ins Zentrum gelangen. Der riesige Hauptplatz, umrahmt von Kirchen und kolonialen Bauten, beeindruckt allein schon durch seine Grösse.

Als Erstes suchen wir das Machu Picchu-Büro auf, wo man Eintrittskarten für die sagenumwobene Inka-Stadt erwerben kann. Gemäss Wetterbericht ist morgen der beste Tag, nachher soll’s regnen. Obschon wir gerne noch einen Tag länger in Cusco geblieben wären, kaufen wir die Karten für morgen. Dann braucht es Bahnbillette, die in einem anderen Gebäude zu haben sind. Man kann entweder ab Cusco die Bahn nehmen oder die halbe Strecke, das heisst bis Ollantaytambo, selber fahren und ab dort mit dem Zug bis Aguas Calientes reisen. Wir wählen diese Variante. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage funktioniert, die Nachfrage ist so gross, dass die Preise ins Unermessliche steigen.

Machu Picchu, 2400m

Durch das heilige Urubambatal fahren wir also zum kleinen Dorf Ollantaytambo. Hier beginnt bereits das Touristenchaos. Weil die Bahnpreise so horrend teuer sind, gibt es unzählige Minibusse, die Touristen ab Cusco bis hierher fahren, um die Bahnfahrt auf die halbe Strecke zu reduzieren. Das Dorf ist total verstopft, die Strassen sind eng und nicht für einen solchen Ansturm ausgelegt. Wir müssen die Rückspiegel einklappen, damit ein Kreuzen mit Bussen und Cars überhaupt möglich ist. Zum Glück verfügt die Bahngesellschaft über einen grossen Parkplatz, der nebst vielen Bussen auch ein Plätzchen für einen Schweizer Camper frei hat. Dort übernachten wir und nehmen am Morgen den ersten möglichen Zug nach Aguas Calientes, in dem für uns Plätze reserviert sind.

Nach der anderthalbstündigen Bahnfahrt werden wir in Aguas Calientes erst durch den Markt geschleust, bevor wir uns bei der Busstation in die lange Schlange stellen können, um Tickets für die Fahrt in die Höhe zu kaufen. Endlich sitzen wir in einem der pausenlos pendelnden Busse und werden zum lange ersehnten Ziel hinaufgezickzackt. In der Hochsaison besuchen täglich 2500 Touristen den heiligen Ort. Jetzt ist nicht Hauptsaison, aber viel weniger sind es wohl nicht. Immerhin verteilt sich der Ansturm auf dem grossen Gelände, ohne dass man sich gegenseitig auf die Füsse tritt.

Machu Picchu wurde in der Anfangszeit der Inka gegründet und vor gut 100 Jahren von einem US-Amerikaner entdeckt. Bis heute ist wenig über die Ruinenstadt auf 2400m Höhe bekannt. Der an drei Seiten von schroffen und steilen Felsen umgebene Ort war genial gewählt für eine Schutzburg und Festung. Unklar ist jedoch, gegen wen sich die Inka hier verteidigen sollten. Die gesamte Stadtanlage ist von terrassierten Hängen umgeben, die in unbezwingbare, fast senkrecht abfallende Felsformationen übergehen. Es ist unvorstellbar, wie die unzähligen, tonnenschweren Steinquader in diesem steilen Gelände in die Höhe transportiert und bearbeitet werden konnten.

Fulminanter Abschied von den Anden

Nun heisst es Abschied nehmen vom Andenhochland. Die Reise über die Cordillera Occidental, die Westkordillere, ist eine Pässefahrt par Excellence: Fünf Pässe auf Höhen zwischen 4000 - 4400m liegen an der Strecke von Cusco nach Nazca Richtung Pazifik. Zum Glück habe ich einen pass-erprobten Schweizer Chauffeur! Bei uns ist allerdings ein Pass ein Übergang mit Hospiz auf dem höchsten Punkt, gefolgt von einer Talfahrt. Hier geht die Talfahrt nur bis 4000m oder leicht tiefer hinab, dann zieht sich die Hochebene weit in die Länge. Nach dem letzten Pass müssten wir 3500m sinken, doch es geht endlos geradeaus. Heinz ist überzeugt, dass die Strasse irgendwann in den freien Fall übergehen muss. Es fühlt sich dann auch beinahe so an, als wir auf den letzten paar Kilometern die ganze Höhe verlieren. Schwere Lastwagen, die auf dieser Strecke verkehren, kriechen im Schritttempo bergauf.

Wir haben die Zeit im Andenhochland mit den vielen Lamaherden, den einfachen Menschen in ihren schlichten Behausungen und den grandiosen Berglandschaften sehr genossen. Zum Abschied kreist ein Kondor vorbei mit seiner schönen weissen Halskrause. Etwas später verabschiedet sich auch Frau Kondor mit elegantem Flug.

Nazca 540m

In Nazca haben wir eine Adresse «Maison Suisse», die wir natürlich ansteuern. Der Chef ist wohl Schweizer aus Appenzell, aber in Peru geboren und spricht englisch. Die Hotelanlage ist schön, ruhig und schattig, ein Platz für zwei Wohnmobile ist vorhanden. Wir sind praktisch die einzigen Gäste, es läuft nichts mehr hier, der 66-jährige Besitzer will alles verkaufen und weg, seine um 30 Jahre jüngere Gefährtin ebenfalls. Wir bleiben zwei Tage, erledigen diverses und nutzen das Internet, solange es funktioniert. Am Klima hier unten haben wir keine Freude, es ist schwül, heiss und voller aggressiver Moskitos.

Auf dem Weiterweg kommen wir an einem Aussichtsturm vorbei, wo man einige der berühmten Nazca-Linien sehen kann. Die Geoglyphen der Nazca-Kultur umfassen ein Gebiet von 700 km2. Es sind über 100 geometrische Figuren, etwa 1000 gerade Linien, die bis 5 km lang sind sowie 30 tier- und menschengestaltige Abbildungen. Die Furchen sind nur daumentief und 20 cm breit. Durch Abtragen der oxydierten, eisenhaltigen dunklen Bodenoberfläche kommt die darunter liegende helle, sandgelbe Schicht zum Vorschein. In der praktisch regenlosen Wüste von Nazca blieben die rätselhaften Erdzeichnungen bereits über 1500 Jahre erhalten.

Islas Ballestas

Wieder am Pazifik unternehmen wir eine Bootstour von der Halbinsel Paracas zu den Islas Ballestas. Die Klippen der wild zerklüfteten Inselgruppe sind die Heimat zehntausender Seevögel, einiger Humboldt-Pinguine und vieler Seelöwen. Zudem sieht man auf dem Seeweg zu den Inseln am Küstenhang von Paracas ein weiteres, 180 x 70 Meter grosses Bodenbild mit dem Namen «El Candelabro».

Lima, 9 Mio. Einwohner

Du meine Güte! Wie kann man nur in so einer Stadt leben oder arbeiten, sich täglich durch den Verkehr hupen, links und rechts überholt werden, ständig mit anderen Autos auf Tuchfühlung fahren, jeden Vortritt, jedes Einspuren erkämpfen! Heinz mit seinen bald 20'000 km Südamerika-Erfahrung kurvt unterdessen wie ein Einheimischer herum und ich halte mich krampfhaft fest!

Von verschiedenen Reisenden haben wir gelesen, dass sie im Club Germania ihr Wohnmobil abstellen und von den Annehmlichkeiten des Clubs profitieren konnten, wie z.B. Schwimmbad, Duschen, Restaurant, Internet usw. Für Deutsche ist der Aufenthalt gratis und wir gehen davon aus, dass die netten südlichen Nachbarn gegen eine Gebühr ebenfalls aufgenommen werden. Deshalb haben wir uns im Vorfeld nicht um andere Abstellmöglichkeiten in Lima gekümmert.

Vor dem verschlossenen Eingangstor parkieren wir an der Strasse. Es ist nur ein Platz vor einer privaten Ausfahrt frei, aber für die fünf Minuten, bis wir wissen, wohin wir den Camper stellen können, dürfte das kein Problem sein. Hingegen ist es ein Problem, dass wir weder Mitglieder noch Deutsche sind und deshalb nicht eingelassen werden! Meine spanischen Verhandlungsversuche scheitern daran, dass das Personal die strikte Anweisung hat, Unbefugten den Eintritt zu verweigern und die zuständige Chefin telefonisch nicht erreicht werden kann. Wir sollen doch in den Club Suizo gehen, rät man uns. Ob man dort Camper abstellen kann, weiss niemand.

Unterdessen ist auch das mit den «fünf-Minuten-vor-der-Ausfahrt-stehen» ein Problem, weil mehrere fünf Minuten daraus geworden sind. Als wir zurück zum Auto kommen, warten dort eine aufgebrachte Nachbarin, die nicht aus ihrer Ausfahrt fahren kann, samt zwei Polizisten, die sie gerufen hat.

 Wir verstehen die Aufregung und wissen, dass wir im Fehler sind. Es tut uns auch sehr leid, was wir mehrfach kundtun. Die Frau beruhigt sich und erklärt, dass man in Peru nicht länger als fünf Minuten vor einer Ausfahrt parkieren dürfe (ist ja schon klar). Dann weist sie die Polizisten an, auf eine Busse zu verzichten und wir bedanken uns sehr.

Vor dem Eingangstor des Schweizer-Clubs müssen wir uns wieder zuerst an die Strasse stellen, weil das Tor zu niedrig ist! Erneut vesuche ich, auf Spanisch zu verhandeln: Gibt es hier eine andere Parkiermöglichkeit... oder ein Hotel mit Parkplatz (nicht Tiefgarage)... oder einen Camingplatz... Wo sollen wir denn hin in dieser verrückten Stadt? Gerade rechtzeitig erscheint eine Schweizerin im Büro. Sie ruft den Rektor der benachbarten Pestalozzi-Schule an und fragt, ob wir zwei Nächte auf dem Lehrerparkplatz hausen dürften. Wir dürfen, und wir schätzen diesen Platz sehr, weil er bewacht ist und über Toiletten und Duschen verfügt. Zudem können wir uns im Club als Gäste frei bewegen, die schöne Liegefläche, den Pool und das Restaurant benützen. Und dann sagt man uns noch, dass demnächst unsere Bundespräsidentin Doris Leuthard nach Lima komme und auch den Schweizer-Club besuchen werde. Da trifft es sich ja gut, dass wir im Sinn haben, einen Tag vorher abzureisen...

Der Weg in die Innenstadt ist mit dem Metrobus gut zu bewältigen. Im überfüllten Bus bietet man mir einen Platz an, was ich nicht zum ersten Mal in Südamerika erlebe. Immer wieder stelle ich einen erstaunlichen Respekt vor dem Alter fest, auch bei der jungen Bevölkerung (dass ich mich noch gar nicht so alt und gebrechlich fühle, ist eine andere Sache :-)

Im Gegensatz zu den elenden Aussenquartieren Limas ist der gewaltige Hauptplatz mit seinen prunkvollen Bauten ein Schmuckstück. Auch die vielen Herrschaftshäuser mit ihren geschnitzten Erkern sind gut erhalten und beeindruckend. Wenn es nicht so heiss wäre, würden wir die Stadtbesichtigung noch mehr geniessen!

Wieder in die Berge

Wir sind immer ein bisschen auf der Flucht vor der Hitze. In Chile war die Pazifikküste mit der angenehmen Meerbrise unser Zufluchtsort, hier funktioniert das nicht mehr. Die Küste Perus ist feucht-heiss, die Nächte kühlen kaum ab und der berühmte Küstennebel am Morgen macht alles noch unangenehmer. Kommt hinzu, dass die Fahrt über lange Strecken durch eine graue Wüste führt, die als Abfalldeponie der Nation herhalten muss. Manchmal ziehen aber auch riesige Zuckerrohrplantagen an uns vorbei sowie Mais- und Getreidefelder, in denen ein Heer von Arbeitern von Hand die Feldarbeit verrichtet.

Am zweiten Reisetag nach Lima gibt es wieder eine Möglichkeit, in die Westkordillere aufzusteigen, die wir gerne nutzen und die sich nicht nur wegen des Klimas lohnt. Obschon die Überschwemmungen der letzten Wochen grosse Verwüstungen angerichtet haben, sind die Strassen unterdessen wieder gut passierbar. Bereits nach drei Stunden Bergfahrt kommen wir auf einer Hochebene in 4100m Höhe an und stellen fest, dass sich die Temperatur von 33°C auf 5°C gemässigt hat!

In Huaraz, einem Bergdorf auf 3000m, geraten wir am nächsten Morgen mitten in ein emsiges Markttreiben, ein Schauspiel mit hohem Unterhaltungswert. Auffallend sind die vielen grossen Gras- und Kleebündel, die zum Verkauf angeboten werden. Das wundert mich, denn die Tiere suchen ihr Fressen doch selber auf der Weide. Ich erkundige mich nach dem Verwendungszweck und werde aufgeklärt, das sei für die ‘cuy’.

Aha, das sind die Meerschweinchen, die damit gemästet werden, bis sie in der Bratpfanne oder am Spiess landen! Andere Länder, andere Sitten eben, wir essen schliesslich auch herzige Chüngel. Als wir dann aber Frauen sehen, die lebende Meerschweinchen in Netzen zum Verkauf anbieten, tun uns die Tierchen echt leid. Wie diese Delikatesse schmeckt, wollen wir gar nicht wissen!

Da es in den Bergen keine vernünftige asphaltierte Verbindung nordwestwärts gibt, kommen wir nicht darum herum, wieder ins Backofenklima an der Küste abzusteigen. Der Weg führt durch den Cañon del Pato (die Entenschlucht), den der Rio Santo gegraben hat, und ist schlichtweg spektakulär. Durch 47 Tunnels folgt die einspurige Strasse einem einstigen Bahntrassee. Die meisten Tunnels sind kurz, einige aber ein paar hundert Meter lang. Man muss einfach hupen, wenn man schon im Tunnel ist, oder vor dem Eingang warten, bis der hupende Entgegenkommende vorbeigefahren ist. Das Gleiche für die zahlreichen Kurven. Nur wenn Busse entgegenkommen, wird es etwas schwieriger, weil die nicht gerne warten und nicht gerne Platz machen. Dummerweise ist der steile Abgrund immer auf der Beifahrerseite und Leitplanken hat es keine. Aber ich habe bekanntlich einen zuverlässigen Chauffeur, der auch kein Interesse hat, irgendwo in einer Schlucht zu landen!

Der Grenze zu Ecuador entgegen

Für die letzten drei Tage gibt es keine Alternative zur Hitze mehr. Am angenehmsten ist es in der klimatisierten Fahrerkabine, weshalb wir den Fokus auf ein zügiges Vorwärtskommen legen. Die Panamericana zieht an den Städten Trujillo - Chiclayo - Piura - Sullana vorbei. Kurz nach Tumbes ist die Grenze zu Ecuador erreicht.

Beeindruckend an dieser Route sind einerseits die vielen Spuren der Überschwemmungen, andrerseits die wechselnde Szenerie. Saharaähnliche Sandwüste, endlose Zuckerrohrplantagen, Kokos- und Bananenpalmen, zerklüftete Berggegenden mit vielen Ölpumen, schöne Küstenabschnitte, Dörfer, die uns an Indien erinnern, unglaublich viel Abfall, romantische Übernachtungsplätze, von denen wir von Polizisten oder Sicherheitspersonal weggeschickt werden, weil es angeblich furchtbar gefährlich sei usw. Einheitlich an dieser Strecke ist die Temperatur: Tagsüber 30 - 35°, nachts nicht unter 27° und immer feucht.

Wir haben Peru als vielseitiges, interessantes und abwechslungsreiches Land kennengelernt. Die Menschen waren uns gegenüber immer freundlich und hilfsbereit und wir fanden es schön, wenn uns beim Vorbeifahren von allen Seiten zugewinkt wurde.

Eingestellt am 16.5.2017 in Quito, Ecuador

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