Reiseverlauf 29.11.16 - 18.6.17
Einwohner: 47 Mio. / Fläche: 1,14 Mio. km2
Hauptstadt: Bogotá
Sprachen: Spanisch / Indianische Sprachen
Staatsform: Präsidiale Republik
Staatsoberhaupt: Präsident Juan Manuel Santos
Währung: Kolumbianische Pesos (COP) 1 SFr. = ca. 3'000 COP
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Ipiales - Popayán - Cali - Manizales - Bogotá - Bucaramanga - Barranquilla - Cartagena
19.5.-30.6.2017
Kolumbien ist eine Reise wert!
Knapp zwei Stunden nehmen die Grenzformalitäten für die Ausreise aus Ecuador und die Einreise nach Kolumbien in Anspruch, was wir als «reibungslos» einstufen. Der gute Standard Ecuadors bezüglich Strassenqualität und Sauberkeit setzt sich in Kolumbien fort. Abfallberge und schmutzige Toiletten sind auch hier grösstenteils kein Thema. Putzequippen sorgen ständig für Sauberkeit und selbst die Strassenränder werden regelmässig gemäht, die Regenrinnen herausgeputzt. Menschliche Arbeitskraft ist kostengünstig und reichlich vorhanden.
Schon auf der ganzen Reise ist uns die grosse Polizei- und Militärpräsenz aufgefallen. Hier in Kolumbien ist sie noch intensiver. Gewalt hat in diesem Land eine lange Tradition, Kolumbien galt generell als gefährliches Land. Erst ist den letzten Jahren, seit den Friedensverhandlungen mit der FARC und dank der Überwachung durch Polizei und Militär kann das schöne Land guten Mutes bereist werden. Gemäss unserer Erfahrung werden Touristen von Polizei und Sicherheitskräften sehr freundlich und zuvorkommend behandelt. Wir haben einige bewachte Stellplätze nutzen können und entsprechend gut geschlafen. Was aber auffällt, sind all die vergitterten Häuser und Einrichtungen, die hohen Zäune mit Stacheldraht oder Elektrodrähten obendrauf. Der 50-jährige Guerillakrieg hat Spuren hinterlassen.
Die Kolumbianer freuen sich über fremde Besucher, die Interesse an ihrem Land haben und sie tun das auch lachend, winkend und mit einer gewissen Neugierde kund. Natürlich ist der Tourismus vielerorts ein wichtiger Wirtschaftszweig, aber wir spüren oft ehrliches Interesse an uns, unserem Vorhaben, unserem Fahrzeug, ohne dass ein direkter wirtschaftlicher Nutzen daraus gezogen wird.
Kolumbien ist das letzte Land auf unserem Reiseplan. Ab Cartagena fährt unser Wohnmobil zurück nach Europa per Frachtschiff und wir fliegen via Bogotá nach Hause.
In unermüdlichem Auf und Ab windet sich die Panamericana nordwärts durch die Bergwelt zwischen der West- und der Zentralkordillere. Irgendwann bemerkt Heinz: «Die Strecke Chur - Arosa ist ein Pappenstiel dagegen!» Nach zwei Tagen erreichen wir Popayán, eine bezaubernde Stadt, die wegen ihrer mehrheitlich schneeweiss getünchten Fassaden die «weisse Stadt» genannt wird.
Die Guambiano-Indianer sind in Silvia und den umliegenden bäuerlichen Gemeinden zu Hause. Obwohl ein enger Kontakt zur westlichen Zivilisation besteht, behütet das 21'000 Menschen zählende Volk seine Identität und Bräuche. Die Guambianos leben beinahe autark auf und von ihrer Heimaterde, die Frauen sind vorzügliche Spinnerinnen (wörtlich gemeint) und Weberinnen. Die Kleidung ist weitgehend einheitlich: Männer tragen blaue Wickelröcke, dunkle Ponchos und Filzhüte, Frauen weite schwarze Röcke mit weissen Bordüren, blaue Tücher über den Schultern und Filz- oder flache Strohhüte. Oberste Autorität der Indianer ist der Grosse Rat mit Sitz in Silvia.
Wir fahren also hinauf ins Dorf mit dem hübschen Namen. Die Gegend wird «die Schweiz Kolumbiens» genannt und erinnert ein bisschen ans Napfgebiet. Auch im abgelegenen Silvia, wie überall sonst, werden wir freundlich empfangen. Es ist Sonntag, der Markt findet jeweils am Dienstag statt, weshalb wir zwei Nächte bleiben. Die erste verbringen wir in einem Hotel, das Platz für rund fünfzig Gäste hat und im Moment gerade mal zwei Schweizer beherbergt. Entsprechend aufmerksam werden wir bedient. Das Einzige, was uns in diesem Hotel nicht behagt, ist die fehlende Heizung trotz kalter Nächte. Wir verkriechen uns in den harten Betten unter den schweren Wolldecken und träumen von unserem beheizten Wohnmobil, das vor dem Haus steht. Aus diesem Grund verbringen wir die zweite Nacht nicht wie vorgesehen im Hotel, sondern parkieren auf dem Hauptplatz, wo wir wohlig warm schlafen können.
Am frühen Morgen geht der Marktbetrieb los und wir mischen uns unters Volk. Da auch hier die Menschen nicht gerne in Touristenkameras landen - auch nicht, wenn man sie fragt - versuchen wir, das so diskret wie möglich zu tun. Leider entwischt uns dabei ein köstliches Fotomotiv. Eine junge Mutter steuert mit ihrem etwa dreijährigen Buben an der Hand in die Markthalle. Der Bub ist ebenfalls traditionell gekleidet mit blauem Wickelrock, Poncho und Strohhütchen. Er sieht so süss aus und ist das einzige Kind, das wir in dieser Kleidung sehen. Aber schon sind die zwei in der Menge verschwunden...
Im Kaffeeland
Nun ziehen wir weiter nordwärts, kommen an weiten Zuckerrohrplantagen vorbei, sehen viele Nachfahren der schwarzen Sklaven, bleiben anderthalb Stunden in einer Demonstration stecken, umfahren geflissentlich die Metropole Cali und erreichen schliesslich die Region, wo der kolumbianische Kaffee wächst. Ein üppiger Dschungel in einer wilden Bergwelt erwartet uns. Wir lassen uns in einer aussichtsreichen «Hacienda» bei Salento auf 2000m nieder, zusammen mit ein paar anderen Europäern, Deutschen und Schweizern.
Um zu erfahren, wie der Kaffee produziert wird, marschieren wir eine knappe Stunde bergabwärts zu einer Kaffee-Finca. Es ist beeindruckend, wie viel Zeit und Aufwand nötig sind, bis eine Kaffeepflanze Früchte trägt. In jeder Frucht sind zwei Kaffeebohnen, die ausgeschält, gewaschen und getrocknet werden müssen, bevor sie zu den Grossverteilern gelangen. Geröstet werden die Bohnen erst später vor dem Detailverkauf.
Noch mehr beeindruckt uns die Arbeit der Kaffeefrüchte-Pflücker. Die Kulturen sind meist in sehr steilem Gelände, oft an der prallen Sonne. Die Pflücker arbeiten täglich 10 Stunden und werden pro Kilo bezahlt. Je nach Situation erntet ein Mann in dieser Zeit 80 - 140 Kilo, die er auch Sack für Sack zur Sammelstelle tragen muss! Es ist schwerste körperliche Arbeit. Wir sehen einige erschöpfte, ausgemergelte Männer, die sich nach einem langen Arbeitstag wortlos nach Hause schleppen.
Am Schuss des Informations-Rundgangs werden geröstete Kaffeebohnen in einer alten Handmühle gemahlen. Das Pulver kommt in einen Stofffilter und wird sorgfältig mit heissem Wasser begossen. Dann bekommen wir eine Kostprobe vom besten Kaffee Kolumbiens - ohne Zucker und Milch natürlich. (Unter uns gesagt: Ein feiner Schümlikaffee aus einer Espressomaschine wäre uns lieber gewesen!)
Für den Rücktransport zur Hacienda hinauf steht ein Klepper-Jeep bereit mit einem theoretischen Platzangebot für acht Personen inklusive Fahrer. Es finden aber locker dreizehn Personen Platz, das heisst wir zwei auf dem Beifahrersitz und hinten quer auf einem Podest stehend noch weitere vier. Die Naturstrasse ist sehr holprig mit tiefen Löchern, aber das macht nichts, die Stehpassagiere halten sich ja fest.
Über die Berge von West nach Ost
Die Gebirgszüge der West-, Zentral- und Ostkordillere verlaufen in Nord-Süd-Richtung. Das Kaffeeland mit der Stadt Manizales liegt inmitten zerklüfteter Hügel am Westhang der Zentralkordillere, während die Hauptstadt Kolumbiens, Bogotá, auf der Ostkordillere sitzt. Eine gut ausgebaute Strasse, die auch von vielen Lastwagen befahren wird, verbindet die beiden Städte in einer atemberaubenden Berg- und Talfahrt. Erst schlängelt sie sich auf 3700m hinauf, um dann von den kühlen Höhen hinunter auf 220m zur Bruthitze im Tal des Rio Magdalena abzufallen, wo es fast nicht auszuhalten ist. Zum Glück schraubt sich die Strasse bald wieder aufwärts bis auf 3000m.
Bei einem Fotohalt in der Nähe eines Hauses kommen sofort die Bewohner daher und begrüssen die fremden Gäste. Vater und Sohn interessieren sich intensiv für unser Fahrzeug, während die Mutter spontan einen «Tinto» braut (einen schwarzen Kaffee, von dem wir ja jetzt wissen, wie er schmeckt). Nach dem gegenseitigen Austauschen der wichtigsten Informationen verabschieden wir uns mit den besten Wünschen.
Um die 8-Millionen-Metropole Bogotá machen wir einen grossen Bogen. Wir werden auf dem Heimflug von Cartagena einen Zwischenhalt in Bogotá einschalten. Stattdessen peilen wir eine Stadt mit einer Besonderheit an:
Zipaquirá 2’630m, 70'000 Einwohner und eine Salzkathedrale
In der alten Kolonialstadt wurde schon vor 500 Jahren Steinsalz abgebaut. Seit dem 19. Jahrhundert trieben Minenarbeiter unter Anleitung deutscher und kolumbianischer Ingenieure tiefe Stollen in den Salzberg. Bald schon entstanden für die Bergleute erste unterirdische Kapellen. 1992-1995 wurde unter Einsatz von 80 Tonnen Sprengstoff die jetzige Salzkathedrale errichtet, eine monumentale Halle auf einer Fläche von 8'500 m2, für deren Hohlraum eine Viertelmillion Tonnen Gestein und Salz ausgeschält wurden. Die dreischiffige, geheimnisvoll illuminierte Höhlenkirche - die grösste ihrer Art weltweit - ist sehr schlicht und beeindruckend.
Zuerst wandelt man auf einem unterirdischen Kreuzgang, bevor man in die Kathedrale hinabsteigt. Dort werden auch Zeremonien wie Hochzeiten usw. gefeiert, ein ganz besonderer Ort für einen besonderen Anlass. Dass man am Schluss noch an unterirdischen Souvenirläden vorbeigeschleust wird, tragen wir mit Fassung. Auch oberirdisch ist der Stadtkern von Zipaquirá durchaus sehenswert
Die Strasse steigt
Passhöhe 3700m
üppige Vegetation auch in der Höhe
Hier dürfen wir übernachten auf 2400m
Cordillera Central
So ein interessantes Auto!
Bogota, Sibirien oder Madrid?
Kreuzweg zur Salzkathedrale
Villa de Leyva 2’140m, 11'000 Einwohner
Eine halbe Tagesreise weiter nördlich liegt das Städtchen Villa de Leyva. Hier richten wir uns auf einem ruhigen Wiesenplatz bei einem Hostal für eine Woche ein. Wir wollen die uns zur Verfügung stehende Zeit im angenehmen Höhenklima verbringen und alles, was wir für die Rückverschiffung des Wohnmobils und unsere Heimreise organisieren können, bereits hier erledigen. In der karibischen Hitze von Cartagena werden wir uns noch lange genug mit Administrativem befassen müssen.
Villa de Leyva wurde 1572 auf militärischen Befehl als Erholungsort für hohe Militärs und Beamte gegründet. Bis heute konnte das koloniale Flair des Städtchens erhalten bleiben, das 1954 unter Schutz gestellt wurde als seltenes Musterbeispiel altspanischer Lebensart. Imponierend ist der grosse, viereckige Hauptplatz mit Seitenlängen von je ca. 120m. Er zählt zu den grössten öffentlichen Plätzen in ganz Kolumbien. Für die Besichtigung des Ortes zieht man am besten robuste Schuhe an, denn die Strassen und Plätze sind sehr rustikal gepflastert. Mit Schmunzeln beobachten wir vereinzelte Schönheiten, die mit modischen Highheels übers Pflaster stöckeln.
Einmal mehr wird uns die Zwiespältigkeit im Zusammenhang mit der Kolonialisierung durch die Spanier bewusst. Einerseits stehen in praktisch jedem Ort Statuen von Nationalhelden auf hohen Sockeln, die sich im Befreiungskampf gegen die spanische Kolonialmacht verdient gemacht hatten, andrerseits wird das koloniale Erbe gepflegt, geschützt und touristisch vermarktet.
Villa de Leyva hat noch eine weitere Sehenswürdigkeit zu bieten: Die Casa Terracota, ein surrealistisches Lehmhaus eines mittelgradig durchgedrehten Architekten. Wie lange er es mit seiner Familie bewohnte, ist uns nicht bekannt. Wir sind aber der Ansicht, dass man es in einem solchen Haus nicht lange aushält. Jedenfalls dient es jetzt ausschliesslich als Touristenattraktion.
Auf dem Weg nach Villa de Leyva
Unser Zuhause beim Hostal
Schönes Hostal in Villa de Leyva
Grosser Hauptplaztz
Chiquinquirá 2580m, 40'000 Einwohner - die «spirituelle Hauptstadt Kolumbiens»
In der Nähe von Villa de Leyva befindet sich der Wallfahrtsort mit dem Zungenbrechernamen Chiquinquirá. In der grossen Basilika erhält die Schutzheilige von Kolumbien das ganze Jahr über Besuch von Pilgern und Gläubigen und selten auch von neugierigen Touristen. Die Kleinstadt gefällt uns, es geht nicht so hektisch zu und her, man grüsst sich im Vorbeigehen. Gemütlich schlendern wir durch Gassen, über Plätze, auf einen Hügel hinauf und natürlich durch den Mercado. Es ist ja fast immer und überall faszinierender Markt. Nur wenn lebende Tiere verkauft werden, sind wir weniger fasziniert, weil man hier nicht so zimperlich damit umgeht. Wenn man den Viechern die Beine zusammenbindet, laufen sie nicht davon. Hier sind es vor allem Hühner, die dergestalt am Boden liegen. Etwas besser haben es die Hähne. Sie sind in Körben, die mit einem grobmaschigen Netz abgedeckt sind. Ein paar strecken ihre Köpfe durch die Maschen und krähen kräftig in die Welt hinaus. Vielleicht tuts ihnen gut, auch wenn es niemanden interessiert.
Die Weiterreise am nächsten Tag wird zünftig begossen, Nebel klebt an den Berghängen und verschleiert zweitweise auch die Strasse. Trotzdem ist die Fahrt durch die kolumbianische Bergwelt nach wie vor spannend, vor allem, was den raschen Vegetationswechsel betrifft. Es ist ein Auf und Ab zwischen 1500 und 3000m. In der Höhe erinnert Weideland mit Kühen und verstreuten Höfen an den Jura. Fleissige Bauern leisten viel Handarbeit und bringen abends die Milchkannen per Pferdefuhrwerk in die Hütte. Sobald die Strasse wieder unter 2000m sinkt, wird’s tropisch. Üppiger Urwald mit Bananen, Mangos, Papayas, Zitrusfrüchten, hohen Bambusbäumen, riesigen Farnen, zwischendurch Kaffeeplantagen an steilen Hängen und überall Zuckerrohr. Dieser Wechsel findet jeweils innerhalb einer halben Stunde statt und verblüfft uns immer wieder aufs Neue.
Am Ende dieses Regentages geniessen wir ein wohltuendes, warmes Thermalbad auf 2500m, wo wir zudem auf dem Parkplatz übernachten dürfen. Der Badebetrieb dauert von 6 - 22 Uhr. Auf unserem Platz hört man nicht viel davon, hingegen läuft pausenlos sehr laute Musik, unterbrochen von häufigen Werbespots für die Bäderlandschaft. Nach 22 Uhr ist schlagartig Ruhe, sodass wir wunderbar schlafen können, und um 6 Uhr geht’s schlagartig wieder los. Macht aber nichts, wir sind sowieso immer so früh wach.
Da wir immer noch genügend Zeit haben, die wir möglichst in der Höhe verbringen möchten, machen wir einen Abstecher zu einem See namens Laguna Tota. Der See liegt auf 3000m und wird über einen 3300m hohen Pass erreicht. Es duftet überall nach Lauch, und das kommt nicht von ungefähr. So weit das Auge reicht sind Kulturen mit Lauch in jedem Wachstumsstadium zu sehen. Bauernfamilien arbeiten in den Feldern, es wird alles von Hand erledigt. Mit grossen Hacken werden die Felder bearbeitet und auf diese mühsame Weise schöne Furchen gezogen. Nur selten sehen wir ein Ochsengespann, das zum Pflügen eingesetzt wird.
Auf dem Dorfplatz in Aquitanίa steht ein Brunnen mit dem Lauchdenkmal. Man sagt uns, dass in dieser Gegend der Lauchbedarf für die umliegenden Städte gedeckt werde. Offenbar ist die Höhe von 3000-3300m ideal für dieses Gewächs, genauso wie für Kartoffeln (so etwa Titlishöhe!). Die Nacht verbringen wir am leeren Sandstrand der Laguna Tota. Baden ist momentan nicht aktuell, es herrschen herrlich kühle 13°C. Einmal mehr stellen wir fest, dass man immer und überall Neues und Interessantes entdecken kann, auch wenn man sich abseits von touristischen Pfaden bewegt.
Die letzten vier Tage in der Ostkordillere
Kurve um Kurve geht die Schlängelfahrt weiter. Wunderbare Blicke in sonnige Täler und Berge, gelegentliche Regengüsse und Nebelschwaden und immer Temperaturen, die wir als äusserst angenehm empfinden. Letzteres ist der Grund, weshalb wir den Umweg über diese Bergroute gewählt haben, obschon auf unserer Karte ein etwa 30 km langes Stück nicht asphaltierte Strasse eingezeichnet ist. Vielleicht wurde ja unterdessen daran gearbeitet? Unser Optimismus hat auf jeden Fall noch keine Einbusse erlitten. Die ersten beiden Tage sind ungetrübte Freude. Herrliche Berglandschaften ziehen an uns vorbei, kleine Siedlungen und grössere Dörfer laden zum Verweilen ein und das Wetter ist uns ganz gut gesinnt.
Im Osten, wo wir uns jetzt befinden, ist Regenzeit von März bis Juli und von September bis Dezember. Da bleibt nicht mehr viel Trockenperiode übrig. Deshalb erstaunt es nicht, dass es am dritten Tag zu regnen beginnt. Das Gelände ist steil und die gut ausgebaute Strasse an mehreren Stellen abgerutscht. Das ist insofern kein Problem, als die Baustellen gut passierbar sind. Hingegen ist die «nicht asphaltierte Strecke» mit wenigen Ausnahmen nicht asphaltiert und in einem schauderhaften Zustand.
Sie führt über einen 4000m hohen Pass und wäre unter besseren Bedingungen traumhaft schön... Es regnet unablässig und wir holpern im Schritttempo stundenlang über die löcherige, schmierige Strasse. Die Hänge sind wie vollgesogene Schwämme, überall spritzt’s und sprudelt’s, Bäche suchen sich ihren Weg über die Wiesen und die Strasse. Ausser einem Bus, einem Lastwagen und einem Taxi begegnen uns keine Fahrzeuge. Nur jetzt keine Panne!
Aber nein, unser Auto lässt uns nicht im Stich! Irgendwann erreichen wir das Ziel Pamplona auf 2300m, nahe der Grenze zu Venezuela (wo man nicht hin sollte, weil es so gefährlich ist...) Hier verbringen wir zwei Tage, einen verregneten und einen sonnigen, erledigen Dinge wie Wäsche usw. Zudem bekomme ich einen ganz passablen Haarschnitt für schlappe SFr. 3.-. Wenn Kolumbien nur nicht so weit weg wäre!
Hinunter in die Hitze
Jetzt haben wir keine andere Wahl mehr. Bald müssen wir die geliebten Berge mit dem wohltuenden Klima verlassen und uns auf schwül-heiss-unangenehm einstellen. Noch einmal steigt die Strasse auf 3200m hinauf, wo wir herrlich schlafen. Am nächsten Morgen kommt ein Bauer daher und inspiziert unser Auto. Heinz hat einen in die Jahre gekommenen Kaschmirpulli, den er nicht mehr heimnehmen will. Er streckt ihn dem Bauern hin mit der Frage «chasch dä bruche?» Der Mann strahlt, «muchas gracias!»
Schon bald setzt wieder heftiger Regen ein. Nachdem wir auf der gesamten Reise erstaunlich wenige Regentage erlebten, sorgt Petrus nun gegen den Schluss hin für ausgleichende Gerechtigkeit. Die Route steigt noch bis auf 3300m zu einem Dörfchen namens Berlin, dann folgt der Sinkflug. Auf dem Weg in die Tiefe werden wir beinahe weggeschwemmt. Zu allem Überfluss geht 8 km oberhalb der Stadt Bucaramanga vorerst gar nichts mehr. Wir sehen einige Autos mit Ballonen in den Kolumbienfarben rot-blau-gelb und weiter vorne eine lange, demonstrierende Fussgängerkolonne, hinter welcher der Autoverkehr schliesslich im Schrittempo abwärts rollt. Entsprechend dauern die 8 km zwei Stunden. Demonstriert wird für mehr Lohn und mehr Geld für die Schulbildung, was wir beides nachvollziehen können.
Wieder einmal haben wir an einem einzigen Tag über 3000 Höhenmeter verloren und dafür 20 Wärmegrade «gewonnen». Bei schwülheissen 27°C versuchen wir ein letztes Mal, im Camper zu schlafen, nachher leisten wir uns klimatisierte Hotelzimmer. Auf dem Weg zur Küste fallen uns enorme Ölpalmenplantagen auf. Irgendwo muss es ja wachsen, das Palmöl!
Auch an der Karibikküste fühlt es sich Tag und Nacht wie in der Sauna an. In Puerto Colombia, nördlich von Cartagena, erkundigen wir uns in einem schönen Strandhotel nach einem Zimmer. Es ist Samstag. An der Reception macht man uns darauf aufmerksam, dass es die ganze Nacht sehr laut zu und hergehen werde. Man empfiehlt uns ein Hotel im Dorf, falls wir es lieber ruhig hätten. Diese Rechnung geht allerdings nicht auf, denn auch das Dorf ist in Feststimmung und bezüglich Musiklautstärke haben wir schon lange das Gefühl, ganz Südamerika sei schwerhörig. Eine Zeitlang mischen wir uns unters feiernde Volk, bis wir müde sind und doch erst gegen den Morgen hin schlafen können.
Die Karibik mit ihren schönen Inseln und Stränden mag für viele das Ferien-Traumziel sein. Wir hingegen sind weder Wasserratten, noch hitze- und lärmbeständig und deshalb überhaupt nicht karibiktauglich. Schade eigentlich!
Letzte Übernachtung in der Höhe
Berlin 3300m
Bergstrecke
Demo bei strömendem Regen
Immer noch Schritttempo
Feine Zwischenverpflegung
Ölpalmen
Auf dem Weg zur Karibikküste
Cartagena de Indias, 1,2 Mio. Einwohner, 18.-30.6.2017
In unserem Reiseführer steht so einiges geschrieben, wie z.B. Die fünftgrösste Metropole Kolumbiens ist älter und schöner als alle ihre Schwestern. Keine andere kolumbianische Stadt empfängt mehr Gäste oder bietet eine so erlesene Auswahl an Möglichkeiten, Geld loszuwerden, wie das legendäre Cartagena de Indias, die Perle der Karibik, UNESCO-Weltkulturerbe seit 1984. Hier finden internationale Gipfeltreffen statt, hier rauchen Staatpräsidenten ihre Zigarren, hier kauft jeder Millionär ein Apartement mit Blick auf die See... etc.
Wir passen uns an, kaufen zwar kein Apartement aber logieren im Ibis-Hotel und schauen vom klimatisierten Zimmer im 9. Stock übers weite Meer. Cartagena ist das Ziel unserer Reise. Wir wussten nicht, ob wir es je erreichen würden. Jetzt sind wir da, heil und ganz, um tausend Erlebnisse und Erfahrungen reicher. Die Gefühle fahren Achterbahn: Glück, Dankbarkeit, grosse Vorfreude aufs Wiedersehen mit Familie und Freunden, aufs geordnete Leben in einer unkomplizierten Schweizerstadt. Aber auch ein bisschen Wehmut, Abschied vom Nomadenleben, von der grenzenlosen Freiheit, von der täglichen Herausforderung, von all dem Neuen, Spannenden, manchmal auch Schwierigen.
Noch dürfen wir nicht zurücklehnen. Das Wohnmobil steht hinter dem Hotel, es muss für den Schiffstransport hergerichtet werden: Alle Lebensmittelvorräte ausräumen, alle Kleider und Gegenstände ausräumen, die wir in den nächsten paar Wochen brauchen unter der Bedingung, dass sie in unsere eher kleinen Rollkoffer passen, Wassertanks leeren, Fahrerkabine leeren, Radio, Monitor der Rückfahrkamera, Navi abmontieren und diebstahlsicher verstauen etc. etc... wie gehabt. Nach jeder Arbeit im Camper kehren wir schweissnass ins Zimmer zurück. Es ist zum Verzweifeln! Wie hält man nur jahrein, jahraus ein solches Klima aus?
Dann Besuch beim Spediteur, letzte Intruktionen, zwei Tage später Fahrt zum Hafen (ca. eine Stunde pro Weg) zusammen mit vier weiteren Fahrzeugen aus Deutschland und Frankreich. Wieder zwei Tage später nochmals Fahrt zum Hafen zwecks Drogenkontrolle. Alle Kästen und Fächer öffnen, teilweise ausräumen etc. Nur der Drogenhund hat offenbar frei, ist ja auch Sonntag.
Jetzt haben wir Zeit, das Abenteuer Südamerika gebührend ausklingen zu lassen. Der für unsere Situation frühest mögliche Rückflugtermin ab Bogotá schenkt uns aufgrund der Hochsaison ein paar Zusatztage. Da wir nun kein Parkplatzproblem mehr haben, ziehen wir in ein Hotel in der Innenstadt Cartagenas und lassen nochmals südamerikanisches Flair auf uns einwirken. Das von einer breiten, begehbaren Stadtmauer umgebene historische Zentrum strahlt viel Charme aus. Alte Gassen und Häuser, Pferdekutschen mit Touristen, viel Fussvolk, überall Marktstände, bunt gekleidete schwarze Frauen mit Früchteschalen auf dem Kopf, die lächelnd für Fotos posieren, sofern man ihnen Früchte abkauft oder einen angemessenen Batzen zusteckt. Mein Batzen war offenbar zu klein, das Lächeln kam erst beim Supplement. Cartagena besass zur Kolonialzeit das Importmonopol für Sklaven, hier fand der grösste Sklavenmarkt von ganz Südamerika statt und hier leben heute noch viele Afro-Kolumbianer.
Wenn das Klima etwas menschenfreundlicher wäre, würden wir unsere Streifzüge durch die Gassen und Plätze noch mehr geniessen. Tagsüber ist die schwüle Hitze von rund 40°C kaum auszuhalten und abends hält sich die Abkühlung sehr in Grenzen. Wir müssen immer wieder in ein klimatisiertes Lokal flüchten und haben in den letzten Tagen mehr Glacé konsumiert als auf der ganzen bisherigen Reise!
Cartagenas Altstadt hinter der Stadtmauer
Hauptstadttor
Der Jesuitenpriester Pedro Claver hilft den Sklaven
Kirche San Pedro Claver
Früchteverkauf und Hitze machen müde
Den endgültigen Abschluss der Reise feiern wir nach einem anderthalbstündigen Flug
im frühlingshaften Bogotá, wo wir einen Zwischenhalt einschalten. Somit können wir die lange Rückreise unterteilen und einen Augenschein von Kolumbiens Hauptstadt auf 2600m nehmen.
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Nachwort
Aufgrund von Warnungen seitens des EDA und anderer Quellen haben wir mit allem Möglichen gerechnet, was uns in Südamerika so widerfahren könnte. Unsere Devise war aber stets: Höflich und ruhig bleiben, andere Sitten und Gebräuche respektieren, nichts provozieren, Konfrontationen aus dem Weg gehen, die üblichen Sicherheitsvorkehrungen treffen, nachts nicht fahren, nicht auf Schmiergeldforderungen eingehen. Letzteres wurde kein einziges Mal aktuell und ganz allgemein fühlten wir uns wohl, sicher und willkommen.
Aufgrund von Warnungen seitens des EDA und anderer Quellen haben wir mit allem Möglichen gerechnet, was uns in Südamerika so widerfahren könnte. Unsere Devise war aber stets: Höflich und ruhig bleiben, andere Sitten und Gebräuche respektieren, nichts provozieren, Konfrontationen aus dem Weg gehen, die üblichen Sicherheitsvorkehrungen treffen, nachts nicht fahren, nicht auf Schmiergeldforderungen eingehen. Letzteres wurde kein einziges Mal aktuell und ganz allgemein fühlten wir uns wohl, sicher und willkommen.
Natürlich ist die südamerikanische Fahrweise eine andere, als wir es gewohnt sind, aber richtig chaotisch geht es nur in Grossstädten zu und her. Über Land muss man sich an ein paar Dinge gewöhnen, z.B. dass Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie Überholverbotstafeln und ausgezogene Mittellinien ignoriert werden. Dass das nicht geahndet wird, wissen wir, seit uns ein Polizeiauto in einer 50-er-Zone mit doppelt ausgezogener Mittellinie in rasantem Tempo überholte, obwohl es nicht im Einsatz war.
Oft wird an den unmöglichsten Stellen überholt, aber wenn alle Beteiligten Platz machen und etwas abbremsen, passiert nichts. Busse und Taxis können überall brüsk anhalten, um Passagiere aus- und einsteigen zu lassen. Töfffahrer überholen links und rechts und schlängeln sich durch die kleinsten Lücken. Tiergespanne, Radfahrer und Fussgänger sind auch auf Schnellstrassen mit getrennten Fahrbahnen anzutreffen. Wenn man das alles weiss, ist’s kein Problem. Mein Chauffeur hat sich schnell an die hiesigen Gepflogenheiten angepasst und wird sich in Europa wieder an alle möglichen Verkehrsegeln halten müssen. Auch als Fussgänger werden wir in den Städten wieder brav die Grünphase abwarten, bevor wir die Strassen überqueren. Man muss flexibel sein
An dieser Stelle möchte ich Heinz ein grosses Lob für seine aufmerksame und vorausschauende Fahrweise aussprechen und ein herzliches Dankeschön, dass er mir immer den besten Platz, nämlich den vorne rechts, überlassen hat!
Zum Schluss bedanken wir uns auch bei allen, die virtuell mit uns mitgereist sind ganz herzlich. Euer Interesse und eure Rückmeldungen haben uns stets sehr gefreut und wir hoffen, dass wir euch einen kleinen Einblick in die Welt jenseits des Atlantiks vermitteln konnten.
Milly + Heinz