Blau = Bahn-/Schiffsausflug Oslo-Bergen-Oslo

Rot = Camperreise bis 26.5.19

Oslo - Heddal - Kristiansand - Lindesnes - Stavanger - Bergen - Sognefjord - Jostedalsbreen Nationalpark - Insel Runde

12.-26. Mai: Von der Grossstadt zur kleinen Vogelinsel

Stabkirche in Heddal

Die Sonne strahlt tatsächlich, als wir uns in Oslo auf den Weg Richtung Westen machen. Am Morgen zeigt das Thermometer zwar noch mickrige 1,5°C an und der Wind bläst nach wie vor kräftig, aber die Sonne bemüht sich sichtlich, die Wettersünden der vergangenen Tage wieder gut zu machen.

Das erste Ziel heisst Heddal, wo Norwegens grösste Stabkirche aus dem 13. Jh. steht. Diese exotisch aussehenden Holzkirchen findet man in Lappland und in Norwegen. Die Kirche in Heddal ist im Sommerhalbjahr auch heute noch als Gemeindekirche in Betrieb. Dass dieser wunderbare Bau ausgerechnet am heutigen Sonntag ausnahmsweise geschlossen ist, finden wir keine gute Idee. Aber man wird ja nicht gefragt...

Ganz fantastisch ist die Strecke durch das Bundesland Telemark auf der Nr. 41, der sogenannten "Telemarkstrasse". Sie führt durch einsame, hügelige Landschaften mit Schneebergen im Hintergrund, durch viel Wald und an moorigen Seen und Flüssen vorbei. Liebhaber von Moorbädern kommen hier voll auf ihre Rechnung. Die ganze Herrlichkeit wird von der Sonne bestrahlt, die weissen Stämme der Birken und das Hellgrün ihrer jungen Blätter leuchten und bilden einen schönen Kontrast zu den dunkelgrünen Nadelbäumen.

Kristiansand, Hauptstadt Südnorwegens

Die Telemarkstrasse endet am Meer bei Kristiansand. Auf einem ruhigen Plätzchen ausserhalb der Stadt verbringen wir die Nacht und fahren am nächsten Morgen mit dem Bus ins Zentrum. Im Dom ist eine Organistin am Üben für ein Konzert, das morgen den Passagieren eines Kreuzfahrtschiffes bei ihrem Landausflug geboten wird. Wir hören und schauen ihr gerne zu. Der Fischmarkt gehört natürlich auch zum Pflichtprogramm, obwohl weder der "Duft" noch der Anblick lebender Hummer mit zusammengebundenen Scheren unser Ding ist. Schöner ist das Quartier mit den alten Holzhäusern.

Leuchtturm am südlichsten Punkt Norwegens

Ein weiteres Highlight folgt am Abend. Es ist der 100-jährige Leuchtturm Lindesnes Fyr. Warm eingepackt steigen wir zum Turm hoch, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Die Stimmung am Himmel ist fotogen, aber in diesen Breitengraden und dieser Jahreszeit ist das mit dem Sonnenuntergang so eine Sache. Die Sonne nimmt sich endlos Zeit und meistens gehen wir vor ihr unter. Am nächsten Tag statten wir dem Leuchtturm sowie dem dazugehörigen Museum einen ausgiebigen Besuch ab und erfahren einiges über die Schifffahrt in früheren Zeiten inklusive tragischer Geschichten, über die damalige Navigation, die Wichtigkeit von Leuchtfeuern zur Orientierung in der Nacht usw.

Unterwasser-Restaurant für gehobene Ansprüche

Auf der Weiterreise beäugen wir noch von aussen das neue Unterwasser-Restaurant in Lindesnes, wo man 5 Meter unter der Wasseroberfläche nobel dinieren und gleichzeitig die Fische beobachten kann. Für schlappe SFr. 270.- pro Person wird ein 17-Gänge-Menü (oder sind's 19?) serviert. Getränke sind extra, versteht sich, und werden zu einem dem Menü angepassten Preis angeboten. Da hätte man unbedingt das andere Portemonnaie mitnehmen sollen! Erstaunlich: das Restaurant ist bereits bis im Oktober ausgebucht! Weitere Buchungen können unter www.under.no getätigt werden J

Für die Strecke bis Stavanger nehmen wir die Küstenstrasse, die "Touristenstrasse" genannt wird. Diesen Namen trägt sie zu Recht, es ist eine abwechslungsreiche Berg- und Talfahrt zwischen rund geschliffenen Granitfelsen mit immer wieder herrlichen Aussichten. Dann fällt die Strasse unvermittelt auf Meereshöhe ab und versetzt uns in eine andere Welt: Alles flach, viel Landwirtschaft mit entsprechend vielen Fliegen, schöner Sandstrand. Die Nacht verbringen wir in einem Nachbarort von Stavanger. Morgen ist der 17. Mai, Norwegens Nationalfeiertag. Wir haben keine Ahnung, wie dieser gefeiert wird und lassen uns überraschen.

Nationalfeiertag in Stavanger

Die Überraschung beginnt bereits vor dem Frühstück mit der Landeshymne, die in der Nähe unseres Schlafplätzchens erschallt. Schön gekleidete Leute sind schon auf der Strasse, Frauen und Mädchen in Trachten, Männer und Knaben in Anzügen. Auch die Kinder sind entsprechend eingekleidet. Wir machen uns auf den Weg nach Stavanger, mit rund 140'000 Einwohnern die viertgrösste Stadt Norwegens, und sind gespannt, was uns erwartet. Zuerst erwarten uns überfüllte Parkplätze, aber nach einigem Suchen finden wir trotzdem noch einen. Dann fussen wir stundenlang durch die Stadt und lassen uns von der Festlaune anstecken. Umzüge, Musik, wunderschöne Trachten, tausende Norwegen-Fahnen und Fähnlein und strahlende Sonne bei über 20°C.

In der Nacht und am folgenden Morgen tropft's vom Himmel. Petrus muss ein Norweger sein, am 8. und am 17. Mai lässt er die Sonne auf die Freiluftfeiern scheinen, nachher darf's auch mal wieder regnen. Wir sind nun auf dem Weg nach Bergen, die Strasse hüpft von Insel zu Insel, über Brücken, Unterwassertunnels und zwei Fährpassagen. Mit der Zeit wird auch das Wetter wieder besser.

Bergen, eine der schönsten Städte Norwegens

In einem Vorort von Bergen quartieren wir uns für zwei Nächte auf einem Campingplatz mit Waschmaschine und Bahnanschluss ins Stadtzentrum ein. Es herrschen sommerliche Temperaturen, in den schön angelegten Parks der Stadt Bergen blüht es in allen Farben. Wir werden reichlich dafür entschädigt, dass wir die Blüte unserer Rhododendren zu Hause verpassen.

Bergen ist die zweitgrösste Stadt Norwegens und zählt rund 280'000 Einwohner. Sie ist eingebettet zwischen sieben Bergen. Als einer der Hauptsitze der Hanse war Bergen mehrere Jahrhunderte lang Zentrum des florierenden Handels zwischen Norwegen und dem Rest der Welt. Zeugen dieser Zeit sind die farbigen Holzhäuser entlang des Hafenbeckens Bryggen. Nach mehreren Stadtbränden, u.a. im Jahr 1702, wurde Bryggen im alten Baumuster des 12. Jahrhunderts aufgebaut und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe (siehe Titelbild).

Unsere Städtewanderung ist kurzweilig, alte Holzhäuser auch ausserhalb des Bryggenquartiers, Fischmarkt, Hafen, Jahrmarkt, mit der Drahtseilbahn auf einen der sieben Berge, den 320m hohen Flöyen, inklusive prächtige Aussicht auf die Stadt. Wir sind begeistert und erinnern uns an das Hudelwetter, das wir hier vor zehn Tagen erlebten. Heinz bemerkt trocken: "Offensichtlich ist der Sommer angekommen, man sieht's an den kurzen Röcken".

Landschaft vom Feinsten

Die Weiterreise Richtung Norden bietet fantastische Landschaften und idyllische Übernachtungsplätze. Einer dieser von uns auserkorenen Plätze ist besonders schön an einem Fjord gelegen und hat nur einen Haken: Der Kiesplatz ist abhaldig Richtung Wasser. Heinz hat mit sowas keinerlei Probleme. Mutig fährt er rückwärts so nahe wie möglich ans Ufer, legt den 1. Gang ein, zieht die Handbremse und steigt aus. Es hebet! Mir ist wind und weh, ich spüre schon förmlich, wie das Wohnmobil mitten in der Nacht ins Rutschen gerät und mit uns im Meer versinkt. Zu meiner Beruhigung schafft Heinz grosse Steine und einen massiven Holzbalken herbei und positioniert alles hinter den Rädern. Dann lässt er das schwere Auto in diese Hindernisse rollen. Das alleine würde bereits reichen und zusammen mit dem 1. Gang und der Handbremse ist eine dreifache Sicherheit gegeben. Ich atme tief durch und schicke ein Stossgebet Richtung Himmel.

Diesmal auf dem Landweg erreichen wir den Sognefjord in seiner sonnigen Variante und setzen mit der Fähre hinüber nach Lavik. Auf der Nordseite des Fjords folgen wir der Berg- und Talstrasse ostwärts bis Sogndal und drehen dann wieder in nördliche Richtung bis zum Nordfjord. Nach jeder Kurve wird die Szenerie von Neuem faszinierend. Überall schiessen Wasserfälle von den Schneebergen und Gletschern die steilen Hänge hinunter, die Blicke auf Seen und Fjorde sind herrlich. Leider nimmt die Strasse immer wieder über kurze oder längere Distanzen die Direttissima untendurch, es gibt unglaublich viele Tunnels. Das ist aus strassenbautechnischen Gründen nachvollziehbar, aber aus touristischer Sicht schade um alles, was man dabei verpasst (der Neat-Tunnel lässt grüssen!).

Auch wenn wir Schweizer punkto Berge, Wasserfälle und Gletscher verwöhnt sind, beeindruckt uns die Weite und Vielfalt dieser südnorwegischen Bergwelt. Besonders imposant empfinden wir den Böyabreen Gletscher, und die Fahrt durch den Jostedalsbreen Nationalpark ist schlichtweg umwerfend (Breen = Gletscher).

Insel Runde, Südnorwegens grösster Vogelfelsen

Nach Runde fährt keine Fähre. Man erreicht die Insel auf der Strasse über vier weitere Inseln, verbunden mit Brücken und Tunnels. Soweit so gut, wenn da nicht die Anzeige auf dem Navi wäre, dass der letzte Tunnel vor Runde eine Höhenbegrenzung von 3.40m aufweist. Unser kleines Ungetüm misst aber 3.70m. Erster Gedanke: Wir suchen die Touristeninformation auf und erkundigen uns nach Alternativen. Die nette Dame gibt sich alle Mühe. Nachdem sie festgestellt hat, dass am Wochenende kein Bus fährt (also morgen und übermorgen), schlägt sie Taxi oder Mietauto vor. Wir möchten aber mindestens eine Nacht auf der Insel übernachten und Unterkünfte sind kaum vorhanden. Mit einer Tafel Toblerone verabschieden wir uns und fahren zu diesem Tunnelportal, um selber einen Augenschein zu nehmen.

Der Tunnel ist einen Kilometer lang mit zwei Kurven. Ein Bus kommt daher von schätzungsweise 3.40m Höhe. Der hat schon mal Platz zur Genüge. Dann fahren zwei Kleinlastwagen vorbei, die wohl noch 20 cm höher sind. Jetzt kramt Heinz sein Laser-Messgerät hervor, das er für solche Situationen angeschafft hat. Seine Messung ergibt durchaus genügend Höhe für unsereins. Wieso ist dieses verflixte Loch denn mit 3.40m angeschrieben? Kann es sein, dass es im Tunnel Engstellen gibt? Sollen wir's einfach wagen, schön in der Mitte fahren und darauf hoffen, dass bei diesem geringen Verkehr keiner entgegenkommt?

Jetzt hat Heinz die zündende Idee: Wir fragen die Polizei. Dort werden wir informiert, dass der Polizeiposten in eine Stadt auf einer anderen Insel umgezogen ist. Ok, rechtsumkehrt, eine weitere halbe Stunde Fahrt, Ankunft beim Freund und Helfer am Freitagnachmittag 17 Uhr. Büro geschlossen seit 15 Uhr. Etwas konsterniert fahren wir zu einem Parkplatz, wo man übernachten darf. Am nächsten Morgen ein letzter Hoffnungsschimmer: Bei der Tankstelle fragen. Da ist aber nur das Girl an der Kasse, das nicht Bescheid weiss. Hingegen wird ein anderer Tankstellenkunde auf das Gespräch aufmerksam. Er sagt, er wohne in der Gegend des Tunnels und die Durchfahrt müsste mit unserem Fahrzeug möglich sein. Wir sollen einfach in der Mitte fahren... Na also, geht doch! Frischen Mutes nehmen wir den Tunnel in Angriff, kein Problem, kein Gegenverkehr - der zur Not auch hätte passieren können - Vogelinselausflug gerettet!

Die Insel ist felsig und klein, es gibt nur eine Uferstrasse, die die halbe Insel umrundet und nur einen Campingplatz, die einzige Möglichkeit, die Nacht im Wohnmobil zu verbringen. Die Felsklippen mit den Vögeln sind auf der gegenüberliegenden Seite der Insel. Am Nachmittag schnüren wir die Wanderschuhe und steigen 300 Meter in die Höhe. Eine zweistündige Rundwanderung ist ausgeschildert, die aber länger dauert, weil man ständig stillstehen und fotografieren muss. Wir sehen schon mal Skuas, Dreizehenmöwen, Kormorane, Tordalken und Basstölpel. Die Hauptattraktion der Insel sind die Papageientaucher, von denen hier schätzungsweise 100'000 Paare brüten. Sie kommen allerdings erst am Abend vom Meer her, um ihre Jungen zu füttern. Gegen 20-21 Uhr werden die einen und anderen müde und setzen sich in die Felsen. Das ist der Zeitpunkt, wo man die kleinen Vögel mit geeigneten Kameras "einfangen" kann.

Vorerst steigen wir also wieder ab, verpflegen uns und nehmen am Abend den direkten, dreiviertelstündigen Weg auf die Klippe, von wo das Schauspiel am besten beobachtet werden kann. Von oben sehen die putzigen kleinen Vögel mit dem Papageienschnabel aus wie Schwalben. Leider ist der Himmel bedeckt und somit die Beleuchtung nicht optimal, aber es lohnt sich trotzdem. Gelegentlich schwebt ein Seeadler vorbei und demonstriert, wie majestätisch er durch die Lüfte segeln kann

Da die Wetteraussichten für den folgenden Tag mehr Sonne verheissen, bleiben wir noch eine Nacht. Am nächsten Abend besteigen wir also zum dritten Mal die 300m hohe Klippe und diesmal wird das Vogelspektakel ideal beleuchtet. Unglaublich, wieviel Aufwand die Vögel betreiben müssen, um ihre Jungen mit kleinen Fischchen zu füttern! Pausenlos wird hin- und hergeflogen. Sie sind noch nicht fertig, als wir gegen 21.30 den Rückweg antreten. Müde, zufrieden und mit zwei stattlichen Blasen an den Füssen (nur ich) sinken wir ins Bett, um eine einzigartige Erfahrung reicher.

Eingestellt am 29.5.2019/mb

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