Blau = Bahn-/Schiffsausflug Oslo-Bergen-Oslo 9.-10.5.19 

Rot = Verlauf Camperreise bis 27.6.19

Lofoten, Vesteralen, Narvik, Tromsö, Alta, Hammerfest, Lakselv, Mehamn, Gamvik, Slettnes Fyr, Kirkenes, Grenze Finnland

10.-27.6.19: Vom Stockfisch zum Elch

Ankunft auf den Lofoten

Auf der vierstündigen Überfahrt von Bodö nach Moskenes im Süden der Lofoten-Inseln schlägt das Wetter um. Ein starker Wind bringt die Fähre ins Schaukeln und der Regen peitscht an die Fensterscheiben. Es giesst wie aus Kübeln, als wir von der Fähre zum Camper-Parkplatz im südlichsten Dorf mit dem kürzesten Namen fahren. Ist das jetzt das Lofoten-Wetter oder besteht Hoffnung auf Besserung?

Am nächsten Morgen sind wir schon zufrieden, dass der Regen aufgehört hat. Den bedeckten Himmel, die Nebelschwaden und den eisigen Wind nehmen wir in Kauf. Es riecht ein bisschen stark, hinter dem Parkplatz sind hunderte oder vielleicht tausende Stockfischköpfe zum Trocknen aufgehängt. Am Nachmittag kommt die Sonne zurück und bleibt die ganze Woche rund um die Uhr am Himmel. So etwas hätten wir nicht zu hoffen gewagt! Dass uns der Wind weiterhin mehr oder weniger kalt um die Ohren bläst, nehmen wir gelassen hin.

Reise durch die idyllische Inselwelt der Lofoten und Vesteralen

Insgesamt verbringen wir eine Woche auf den interessanten Inseln. Die Strassen sind teilweise schmal, zum Glück ist noch Vorsaison und der Touristenverkehr mässig. Die Fahrt ist traumhaft schön, immer wieder müssen wir anhalten, schauen, fotografieren. Berge, Seen, Fjorde, alpine Landschaften auf Meereshöhe, hübsche Fischerdörfer mit farbigen Holzhäusern und Stockfisch-Gestellen, romantische Plätzchen zum Übernachten usw.

Der Stockfisch (Kabeljau / Dorsch)

Jeden Winter kommen grosse Mengen Kabeljau (Dorsch) von der Barentssee zum Laichen in die Gewässer der Lofoten. Das bedeutet seit mindestens 5000 Jahren die Lebensgrundlage für die Menschen in der Gegend. Schon die Wikinger hatten mangels Salz gelernt, den Fisch zu trocknen und dadurch unbegrenzt haltbar zu machen. Diese Methode wird auch heute noch angewendet. Dazu werden die Fische aufgeschlitzt, ausgenommen und geköpft, dann an den Schwänzen zusammengebunden und über ein Holzgestell zum Trocknen aufgehängt. Der stetige Wind hilft da kräftig mit. Die gedörrten Fische, Stockfische genannt, werden in viele Länder exportiert, allen voran Italien. Sie dienen aber auch dem Eigenbedarf. Zum Kochen weicht man sie ein paar Tage in Wasser ein, bis sie wieder "aufgefüllt" sind und wie frische Fische zubereitet werden können.

Von den Köpfen gelten Zunge und Bäggli als Delikatesse und werden vor dem Dörren herausgeschnitten. Der Rest der Köpfe geht in getrockneter Form auf Reise, hauptsächlich nach Afrika, wo Fischsuppe daraus hergestellt wird. Gedörrte Fischköpfe sollen in Nigeria sogar als Hochzeitsgeschenk taugen... andere Länder, andere Sitten!

Museen, die wir auf den Inseln besuchen

Wikingermuseum: In Borg auf der Lofoteninsel Vestvagöy herrschte einer der mächtigsten nordnorwegischen Wikingerhäuptlinge. Hier stand das weltweit grösste bekannte Haus der Wikingerzeit. Es wurde mit 83m Länge in voller Grösse rekonstruiert und kann besichtigt werden.

Lofotenmuseum: In Kabelvag auf Austvagöy besuchen wir den Hof eines Dorfherren aus dem 19.Jh. mit Garten, Fischerhütten und Bootshäusern

Hurtigruten-Museum: Stokmarknes auf der Vesteraleninsel Hadselöya ist der Geburtsort von Hurtigruten, der "Schnellen Route", die seit über 100 Jahren die norwegischen Küstenorte miteinander verbindet. Zwischen Bergen im Süden Norwegens und Kirkenes an der russischen Grenze werden Postsendungen, Waren, Einheimische und Touristen transportiert. Das Museum zeigt die Entwicklung dieser "schönsten Seereise der Welt".

Wieder auf dem Festland

Nach der Inselwelt kommen wir diesmal ohne Fähre wieder aufs Festland, sofern man die ausgefranste Küste so nennen kann. Via Harstad reisen wir Richtung Narvik, das über eine neue, imposante Hängebrücke erreicht wird. Es handelt sich um die 2018 fertiggestellte, 1500m lange Halogaland-Brücke.

Narvik, die wichtigste Hafenstadt des Nordens

Die Kleinstadt mit weniger als 20'000 Einwohner verdankt ihre Bedeutung dem eisfreien Hafen. Eisenerz aus Kiruna (Schweden) wird mit der 1902 gebauten Ofotbahn nach Narvik gebracht und in alle Welt verschifft. Diese Tatsache ist aber auch der Grund, weshalb Narvik im 2. Weltkrieg für Hitler interessant war und angegriffen wurde. Nur durch den Einsatz der Alliierten konnte die deutsche Offensive gestoppt werden.

Wir besuchen zuerst das Museum zum Thema Eisenerzbahn und nachher das Kriegsmuseum im "Peace Center". Es ist gut ausgestattet und präsentiert das Kriegsgeschehen sehr anschaulich, sodass man auch ganz gerne wieder an die frische Luft geht und tief durchatmet...

Nordwärts Richtung Tromsö

Auf der Weiterreise schauen wir uns etwas wesentlich Erbaulicheres an: Den Malselvfossen, eine Stromschnelle, die es beinahe mit unserem Rheinfall aufnehmen könnte. Im Fluss Malselva wandern viele Lachse aufwärts zu ihren Laichplätzen. Für sie wurde eine Lachstreppe errichtet, damit sie die Stromschnellen meistern können. Durch eine Glasscheibe können wir so ein Exemplar von einem Meter Länge bestaunen.

Die E6 bringt uns wie gewohnt durch schönste Landschaften mit hohen, teilweise noch verschneiten Bergen und heute, am 18.6., sichten wir im Vorbeifahren die ersten zwei Elch-Kühe. Das Foto ist umständebedingt unscharf und dient nur als privates Beweismittel, aber wir geben die Hoffnung auf eine zweite Chance nicht auf! 

Tromsö, 65'000 Einwohner

Tromsö ist die grösste Stadt der Welt nördlich des Polarkreises. Früher war sie ein wichtiger Ausgangspunkt für Polarexpeditionen, Walfang, Robbenfang und Verkauf von Fellen.

Es ist regnerisch und kalt, unser Stadtbesuch findet hauptsächlich indoor statt. Zuerst steuern wir das Universitäts-Museum an, das Ausstellungen und Informationen zum Thema Nordlichter, Wikinger und Samen präsentiert. Vor allem die Volksgruppe der Samen (Lappen oder Lappländer darf man nicht mehr sagen) interessiert uns, ihre Kultur, ihr Lebensstil, ihre bunten Kleidungen usw. Dann besuchen wir das Museum Polaria, wo wiederum ein Film über das Nordlicht gezeigt wird. Im dazugehörigen Aquarium ist gerade Fütterungs- und Demonstrationszeit mit Bartrobben. Ein kleiner Bummel noch durch die Innenstadt mit hochgeschlagener Kapuze und zu guter Letzt ein Besuch der Eismeerkathedrale, berühmt durch ihre Architektur und ihr 140 m2 grosses Fenster aus farbigem Gussglas.

Herrliche Reise nach Alta

Bei immer noch trübem Wetter ziehen wir weiter, nehmen eine Querverbindung mit zwei Fährpassagen und stossen dann wieder auf die E6. Auch der nächste Morgen ist neblig und regnerisch, aber gegen den Mittag hellt es endgültig auf. Die folgende Fahrt bis kurz vor Alta bietet strahlenden Sonnenschein, blauen Himmel und ebensolche Fjorde, weisse Schneeberge, lichte Birkenwälder, die ersten Rentiere, Aus- und Fernsichten ohne Ende... Oberhalb der Baumgrenze kommen wir über den Kvaenangsfiellet, ein sehr alpiner Pass auf gerade mal 400müM. Zum Mittagessen kehren wir im Passrestaurant ein und essen Rentiergeschnetzeltes... ein bisschen makaber, nachdem wir solche Freude an der Rentierherde hatten.

Am Nachmittag sehen wir einen vollbepackten Radfahrer. Es gibt sie vereinzelt, diese Idealisten, die mit Muskelkraft Richtung Nordkap strampeln. Wir werden den gleichen Mann am folgenden Morgen wieder überholen sowie eine Woche später in Finnland auf dem Rückweg in den Süden! Wie weit nordwärts er gekommen ist, wissen wir natürlich nicht, aber dass es immer kalt und windig war, schon

Zum Abschluss dieser wunderbaren Etappe finden wir einen romantischen, aussichtsreichen Übernachtungsplatz über einem Fjord mit Schneeberg-Kulisse. Ein Seeadler schwebt zur Begrüssung vorbei, bis er von einer Möwe wehement vertrieben wird.

Felskunst in Alta

Das nächste Ziel ist die kleine Stadt Alta. Hier wurden um 1970 Felsritzungen und Felsmalereien entdeckt, die 2500-6200 Jahre alt sind und inzwischen auf der UNESCO Weltkulturerbe-Liste stehen. Auf dem Gelände wurde das Alta-Museum errichtet und die Felskunst kann auf einem 3 km langen Rundgang besichtigt werden.

Vor der Weiterfahrt besuchen wir noch die 2013 errichtete Nordlicht-Kathedrale in Alta, ein etwas futuristisches Gotteshaus, das zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Nachts werden vom Gebäude Lichtstrahlen in den Himmel projiziert, die wie Nordlichter wirken - aber natürlich nicht im Sommer, wenn es nachts taghell ist.

Hammerfest, die nördlichste Stadt der Welt

Auf unserer Reise nordwärts darf Hammerfest nicht fehlen, obwohl das einen Abstecher von 60 km pro Weg bedeutet. Die Stadt wurde im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört. Das Wiederaufbaumuseum informiert (einmal mehr) über Kriegshandlungen, Zwangsevakuierungen und vor allem den Wiederaufbau der Stadt nach dem Krieg. Schön ist der Blick auf die Stadt von einer Anhöhe aus, die man zu Fuss erklimmen kann.

Zum Leuchtturm Slettnes Fyr, Breitengrad 71°05'33"

Nun wäre es nicht mehr weit bis zum Nordkap, aber weil es dort von Touristen wimmelt, die Stellplätze für Wohnmobile überfüllt sind und alles überteuert ist, ziehen wir südlich um den Porsangerfjord herum und peilen auf seiner Ostseite den nördlichsten Punkt auf dem europäischen Festland an (das Nordkap liegt auf einer Insel). Die Strasse führt hinauf bis Mehamn - Gamvik und endet beim Leuchtturm Slettnes Fyr. Die Landschaft wird karg aber keineswegs langweilig. Es geht auf und ab mit herrlichen, weiten Aussichten auf Schneefelder, Seen, Fjorde, verstreute Häuser und immer wieder Rentiere, die offenbar genügend Nahrung finden. Sie laufen frei herum, oft auch auf der Strasse, gehören aber den Bewohnern dieser Ödnis, die mehrheitlich Samen sind. Im 270-Seelen-Dorf Gamvik überrascht uns ein sehr schön eingerichtetes Ortsmuseum. Beim Leuchtturm flüchten wir vor dem eisig kalten Wind in die kleine, familiäre Gaststube, bevor wir uns auf die Rückfahrt südwärts begeben.

Die Mitternachtssonne

Seit den Lofoten wird es nicht mehr dunkel. Dort dauert die Mitternachtssonne etwa einen Monat lang, am Nordkap sind es fast drei Monate. Für Heinz bedeutet das, den Schlafraum verdunkeln und normal ins Bett gehen. Mich hingegen faszinieren die hellen Nächte. Schon auf den Lofoten habe ich mich einmal aus dem Häuschen geschlichen und bei bitterer Kälte der Sonne zugeschaut, wie sie sich sehr langsam gegen den Horizont hin senkte, nur um wieder aufzusteigen.

Am heutigen Abend nun, 24. Juni, steht das Wohnmobil auf einem aussichtsreichen Platz mit Blick auf den Laksefjord (Lachsfjord) Richtung Norden. Zufälligerweise ist das die ideale Position, um das Schauspiel aus dem Heckfenster zu beobachten. Mein hausinterner Astronome hat mir anhand eines umgekehrten Salatschälchen erklärt, weshalb die Mitternachtssonne nicht im Westen, sondern im Norden ihren Tiefstpunkt erreicht. Ungeachtet der günstigen Ausgangslage gibt es für Heinz zur gewohnten Zeit Bettruhe, während ich unbedingt wach bleiben will. Ein Wolkenband verdeckt die Sonne, sodass man gut in ihre Richtung schauen und fotografieren kann. Um Mitternacht gehe ich ins Freie und halte den Stand der Sonne mit der Kamera fest. Sie ist ein gutes Stück oberhalb des Horizonts und wird sich jetzt wieder aufwärts bewegen. Trotz Kälte ist es für mich ein ganz besonderes, einmaliges Erlebnis! 

Kirkenes an der russischen Grenze

Unsere letzte Station auf norwegischem Boden ist Kirkenes, die Kleinstadt an der russischen Grenze und Endziel der Hurtigrute. Auf dem Weg machen wir in Varangerbotn Halt bei einem anschaulich präsentierten und sehr informativen Samen-Museum.

Bevor wir uns in Kirkenes niederlassen, ziehen wir auf spezielle Empfehlung hin noch ein Stück nordwärts Richtung Jakobsnes. Die Landschaft ist wie gewohnt schön, die Strasse hingegen an mehreren Orten im Bau. Trotzdem witzelt Heinz: "Wer weiss, vielleicht schiessen wir auf dieser Strecke das ultimative Foto". Und tatsächlich, in einer Waldlichtung erscheint ein ausgewachsener Elch. Normalerweise fliehen Wildtiere, wenn wir mit dem Camper anhalten. Dieser Prachtskerl jedoch ist neugierig, so ein Gefährt hat er wohl noch nie gesehen. Er kommt näher, bleibt stehen, schaut in unsere Richtung und lässt sich widerstandslos ablichten. Fehlt nur noch, dass er lächelt! Erst ein vorbeifahrender Lastwagen bewegt ihn zum Rückzug in den Wald.

Zurück in Kirkenes besuchen wir das Grenzlandmuseum. Einmal mehr Hauptthema 2. Weltkrieg! Kirkenes gehörte zu den am schwersten getroffenen Städten Norwegens. Abgesehen davon war dieses sogenannte Grenzland schon vor Jahrhunderten ein begehrtes und hart umkämpftes Gebiet, worunter die Volksgruppen, die hier ohnehin ein hartes Leben hatten, leiden mussten.

Im Übrigen hat Kirkenes nicht viel zu bieten. Eine kleine Fussgängerzone und ein Denkmal für die Rote Armee, die die Stadt 1944 befreite. Und ein eisig kalter Wind, währenddessen unsere lieben Daheimgebliebenen in der Sommerhitze dahinschmelzen!

Nun geht's der finnischen Grenze entgegen. Auf dem Weg kommen wir an einem weiteren "Mini-Rheinfall" vorbei. Auch hier wandern Lachse flussaufwärts, sofern sie nicht von Fischern daran gehindert werden. Um die Mittagszeit fahren wir über die Grenze, was niemanden interessiert.

Eingestellt am 1.7.2019/mb

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